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Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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durchhängen? Hrun summte eine leise Melodie vor sich hin, als er brüchiges Leder aus dem entweihten Altar zog.
    Die Luft knisterte, fluoreszierte und surrte. Ungreifbarer Wind zupfte am Umhang des Zauberers, breitete ihn aus und ließ Strudel aus blaugrünen Funken entstehen. Undeutliche verrückte Geister wirbelten um Rincewinds Kopf, kicherten und rasten fort.
    Er versuchte die Hand zu heben, und sofort wurde sie von einer glühenden oktarinen Korona umhüllt, als der magische Wind heftiger blies. Die Böen zischten durch den Raum, ohne ein einziges Staubkorn zu bewegen, aber sie schien bestrebt zu sein, die Lider des Zauberers umzustülpen. Sie kreischten durch die Korridore, und ihr gespenstisches Heulen hallte von Stein zu Stein.
    Zweiblum torkelte näher und stemmte sich dem astralen Sturm entgegen.
»Lieber Himmel, was ist das?« rief er.
    Rincewind drehte sich halb um. Sofort erfaßte ihn der heulende Wind und riß ihn fast von den Beinen. Phantomhafte Mahlströme zischten in der rauschenden Luft und zerrten an seinen Füßen.
    Hrun hob den Arm und hielt ihn fest. Eine Sekunde später hatte er sowohl Rincewind als auch Zweiblum in den Windschatten des Altars gezogen, wo sie keuchend auf dem Boden liegenblieben. Neben ihnen funkelte das sprechende Schwert Kring: Der Sturm verstärkte sein magisches Kraftfeld um das Hundertfache.
    »Nicht loslassen!« schrie Rincewind.
»Der Wind!« erwiderte Zweiblum. »Woher kommt er? Und wohin weht er?« Der Tourist blickte in das von Entsetzen gezeichnete Gesicht des Zauberers und klammerte sich daraufhin an den Steinen fest.
    »Wir sind erledigt«, sagte Rincewind, während über ihnen die Decke knackte und sich nach unten wölbte. »Woher kommen Schatten? Dorthin weht der Wind!«
    Der Zauberer wußte natürlich, daß folgendes geschah: Der gequälte Geist Bel-Shamharoths sank durch die tieferen chthonischen Ebenen. Sein unheilvolles Ich wurde aus dem Gestein in eine Region gesaugt, von der die seriösesten Priester der Scheibenwelt behaupteten, daß sie sich sowohl unter dem Boden als auch Ganz Woanders befand. Eine der Konsequenzen dieses Vorgangs bestand daran, daß sein Tempel nun den Verheerungen der Zeit ausgesetzt war, die es viele schamhafte Jahrtausende lang abgelehnt hatte, sich diesem Ort zu nähern. Das plötzlich freigesetzte akkumulierte Gewicht aller jener aufgestauten Sekunden lastete schwer auf den hilflosen Mauern.
    Hrun sah zu den länger werdenden Rissen hinauf und seufzte. Dann schob er zwei Finger in den Mund und pfiff.
    Seltsamerweise übertönte dieses echte Geräusch den Pseudolärm des anschwellenden astralen Strudels, der sich über der großen oktogonalen Platte formte. Ihm folgte etwas, das sich wie das Klappern sonderbarer Knochen anhörte, und daran wiederum schloß sich etwas an, das ganz und gar nicht eigenartig klang: dumpfer Hufschlag.
    Hruns Streitroß trabte durch einen knirschenden Torbogen und bäumte sich mit wehender Mähne vor seinem Herrn auf. Der Barbar erhob sich, verstaute die Schatzbeutel in einem Sack am Sattel und schwang sich auf den Rücken des Pferds. Er griff nach unten, packte Zweiblum am Genick und zog ihn auf den Sattelstock. Als sich das Roß drehte, wagte Rincewind einen verzweifelten Sprung und landete hinter Hrun, der keine Einwände erhob.
    Das Pferd lief durch die Tunnel, sprang über Schutthaufen hinweg und wich geschickt großen Steinen aus, die vom ächzenden Dach herabfielen. Rincewind hielt sich energisch fest und blickte zurück.
    Kein Wunder, daß es Hruns Roß so eilig hatte. Dicht hinter ihnen stürmte eine recht gefährlich wirkende Truhe durchs flackernde violette Licht, gefolgt vom Ikonographen, der auf dem Dreibein daherstakte. Die Fähigkeit des intelligenten Birnbaumholzes, seinem Herrn überallhin zu folgen, war so groß, daß man die Grabgeschenke toter Könige und Kaiser daraus angefertigt hatte…
    Als sie ins Freie gelangten, fielen hinter ihnen die achteckigen Steine des oktogonalen Zugangs auf Fliesen mit zweimal vier Seiten.
    Die Sonne ging auf. Hinter Hrun und seinen Begleitern entstand eine große Staubwolke, als der Tempel einstürzte, aber niemand sah zurück. Eigentlich schade: Zweiblum hätte einige Bilder machen können, die selbst nach den Maßstäben der Scheibenwelt ungewöhnlich gewesen wären.
    Etwas bewegte sich in den rauchenden Ruinen – ein grüner Teppich schien ihnen zu wachsen. Eine Eiche sauste nach oben, dehnte sich wie eine explodierende grüne Rakete aus und stand

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