Die Farben der Zeit
nicht«, sagte Verity und trank einen ausgiebigen Schluck Schokolade. »Ich habe ihr auch von der Katze nichts erzählt. Sie wollte wissen, was ich dort täte, und ich sagte, ich bräuchte ein neues Kostüm für übermorgen. Miss Warder war fuchsteufelwild.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Und dann blieb Lady Schrapnell dabei, während mir das Kleid angepaßt wurde, und erzählte mir, daß Sie einfach verschwunden seien und Dunworthy ihr partout nicht sagen wollte, wo Sie steckten, und wie T. J. sich geweigert hätte, ins Jahr 1940 zu springen, um dort des Bischofs Vogeltränke zu suchen, weil das zwanzigste Jahrhundert Tabuzone für Farbige sei, was sie ziemlich lächerlich fände, denn worin bestünde denn schon die Gefahr bei so einem Luftangriff?« Sie trank den letzten Rest Schokolade aus und schaute in die Kanne. »Und wie die Arbeiter sich mit dem Chor anstellten und daß sie behaupteten, das Chorgestühl fertigzustellen, dauere mindestens noch einen weiteren Monat, und daß das völlig ausgeschlossen sei, weil doch die Einweihung bereits in dreizehn Tagen stattfinden solle.«
Sie goß die letzten Tropfen Schokolade aus der Kanne in ihre Tasse. »Sie wollte einfach nicht verschwinden, sogar als ich mit Miss Warder in den Vorbereitungsraum ging, um das Kleid anzuprobieren. Ich mußte Miss Warder bitten, Lady Schrapnell hinauszuschicken und abzulenken, während ich mit der Bodleiana telefonierte, um die Ergebnisse von der Suche nach Terence zu erfahren.«
»Und? Sollte er Maud treffen oder nicht?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Verity überglücklich. »Die Suche förderte nichts zutage. Keine Medaillen, keinen Ritterschlag, keine Wahlen ins Parlament. Kein Arrest, keine Verurteilungen, keine Schlagzeilen. Keine einzige Erwähnung in den offiziellen Aufzeichnungen.«
»Keine Heiratsurkunde?«
Verity schüttelte den Kopf und griff nach dem letzten Biskuit. »Die Pfarrei, in der er wohnte, wurde während des Blitzkrieges zerstört, und ich hatte keine Zeit für eine globale Suche, aber ich hinterließ Dunworthy eine Nachricht bei Miss Warder und bat ihn, eine solche Suche anzuleiern, sobald er von Coventry zurückkäme. Wenn Terence jedoch in den offiziellen Unterlagen nicht erwähnt ist, heißt das, daß er keinen geschichtlichen Einfluß besaß, und das bedeutet, daß die Begegnung nicht zählt. Was zu T. J.’s Aussagen über Diskrepanzen paßt, nach denen sich nur die unmittelbare Umgebung der Inkonsequenz destabilisiert. Und die Begegnung war vier Tage, nachdem ich die Katze gerettet hatte und die Bahnstation von Oxford liege über vierzig Meilen von Muchings End entfernt, was man kaum als ummittelbare Nähe bezeichnen kann. Also ist es keine Diskrepanz, und die Inkonsequenz hat sich nicht vergrößert.«
»Hmh«, machte ich und wünschte, davon genauso überzeugt zu sein wie sie.
»Wenn Tossie aber Terence statt Mr. C heiratet, dann ist eindeutig eine Diskrepanz entstanden. Also müssen wir das Tagebuch stehlen und herausfinden, wer er ist und die beiden so schnell wie möglich zusammenbringen. In der Zwischenzeit müssen wir Terence von Tossie fernhalten. Und des Bischofs Vogeltränke finden«, setzte sie hinzu und leckte sich die Biskuitkrümel von den Fingern.
»Was?« fragte ich. »Ich dachte, Sie hätten Lady Schrapnell verschwiegen, daß ich hier bin.«
»Habe ich auch«, sagte sie. »Ich sagte ihr, Sie hätten herausgefunden, wo sich des Bischofs Vogeltränke befindet und wollten sie gerade herbeischaffen!«
»Sie haben was?« Ich setzte mich auf Cyril.
»Sie war fest entschlossen, Sie ausfindig zu machen«, sagte Verity. »Die Handwerker weigern sich, eine Reproduktion von dem Ding zu machen, und Lady Schrapnell ist außer sich vor Zorn. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie Miss Warders Aufzeichnungen überprüft und Ihnen nachgekommen wäre«, sagte sie, und es klang logisch. »Das wäre genau das, was wir hier noch bräuchten.«
Ich mußte ihr den Punkt zugestehen. »Was passiert aber, wenn sie herausfindet, daß ich nicht die leiseste Ahnung habe, wo sich des Bischofs Vogeltränke befindet, und es auch nie gewußt habe? Die Einweihung ist in zwei Wochen, und ich bin für keine weiteren Sprünge mehr vorgesehen.«
»Ich werde Ihnen helfen«, sagte Verity. »Und wir müssen dazu nirgends hingehen. Poirot sagt, alles was man zum Lösen eines Rätsels bräuchte, läge in den kleinen grauen Zellen.«
»Poirot?« fragte ich. »Wer ist Poirot? Der Küster?«
»Nein.
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