Die Farben der Zeit
extrem seltener Fisch. Der Colonel hatte ihn sich mit dem Schiff aus Honshu kommen lassen, unter großen Kosten«, sagte er gequält. »Er war erst am Vortag eingetroffen. Und da hockte Prinzessin Arjumand neben der Rückenflosse und leckte sich genüßlich ihre Pfote, und als ich rief: ›Oh, Prinzessin Arjumand! Was hast du getan?‹ schaute sie mich mit einem Blick reinster Unschuld an. Ich fürchte, ich verlor die Beherrschung.«
»Das kann ich gut verstehen«, sagte ich.
»Nein.« Baine schüttelte den Kopf. »Ich trug sie zum Fluß hinunter und schleuderte sie, so fest ich konnte, aufs Wasser hinaus und ging fort. Als ich zurückkam…« – wieder verbarg er das Gesicht in den Händen –, »war nichts mehr von ihr zu sehen. Ich suchte überall. In diesen vergangenen vier Tagen fühlte ich mich wie Dostojewskis Raskalnikov, unfähig, mein Verbrechen zu gestehen, zermartert von Schuld über meinen Mord an einer unschuldigen Kreatur…«
»Na ja, nicht ganz unschuldig«, warf ich ein. »Sie fraß die silberne Kaiserpfauentaube.«
Baine hörte mich nicht einmal. »Die Strömung muß sie weggetrieben haben, und sie kam weiter unten, stromabwärts, erst ans Ufer, naß, verirrt…«
»Und den Bauch voll Pfauentaube«, sagte ich, um ihn davon abzuhalten, das Gesicht erneut in den Händen zu verbergen. Und doppelkiemigem Döbel, dachte ich.
»Ich tat kein Auge zu. Ich merkte, daß ich… ich wußte, daß Miss Mering es mir nie vergeben würde, wenn ihrer geliebten Katze etwas passiert wäre, aber ich fürchtete, gutherzig wie sie ist, würde sie es vielleicht doch tun, und ich wäre im Leben nicht imstande gewesen, ihre Vergebung zu ertragen oder mir selbst zu verzeihen. Doch ich wußte, daß ich es ihr würde sagen müssen und hatte es mir für heute abend vorgenommen, nach der Seance. Und dann öffneten sich die Verandatüren, und ein Wunder geschah. Prinzessin Arjumand war da, sicher zurückgekehrt, dank Ihnen!« Er ergriff meine Hände. »Ich bin Ihnen so dankbar, Sir! Tausend Dank!«
»Schon gut«, sagte ich und entzog ihm meine Hände, bevor er auf die Idee kommen konnte, sie vielleicht mit Küssen zu bedecken. »Es war mir eine Freude.«
»Prinzessin Arjumand hätte verhungern können oder erfrieren oder von wilden Hunden zerrissen werden oder…«
»Grämen Sie sich nicht über Dinge, die nicht passiert sind«, sagte ich. »Sie ist sicher nach Hause zurückgekehrt.«
»Ja, Sir«, sagte er mit einem Blick, als wolle er meine Hände erneut ergreifen.
Ich versteckte sie hinter meinem Rücken.
»Wenn es etwas gibt, irgend etwas, womit ich Ihnen einen Gefallen tun kann und meine Dankbarkeit zeigen, würde ich es auf der Stelle tun.«
»Ja, gut«, sagte ich. »Vielen Dank, Baine.«
»Nein, ich habe Ihnen zu danken, Sir«, erwiderte er, zog meine Hände hinter meinem Rücken hervor und schüttelte sie kräftig. »Und vielen Dank, daß Sie mich angehört haben. Ich hoffe, ich habe nicht ungebührlich gesprochen, Sir.«
»Keineswegs«, sagte ich. »Ich bin froh, daß Sie mir das erzählt haben.«
Baine erhob sich und zog seine Rockschöße gerade. »Soll ich Ihre Jacke und Ihre Hosen für Sie aufbügeln, Sir?« fragte er, langsam Haltung zurückgewinnend.
»Nein, ist schon gut«, entgegnete ich mit dem Gedanken, daß ich diese Dinge, so wie es ausschaute, vielleicht bald wieder brauchen würde. »Sie können sie später bügeln.«
»Sehr wohl, Sir. Kann ich sonst noch etwas für. Sie tun?«
»Nein«, sagte ich. »Danke, Baine. Und gute Nacht. Ruhen Sie sich etwas aus. Und machen Sie sich keine Sorgen mehr. Prinzessin Arjumand ist wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt. Es ist kein Schaden aus der Angelegenheit entstanden.« Hoffte ich zumindest.
»Ja, Sir«, sagte er. »Gute Nacht, Sir.«
Ich öffnete die Tür, um ihn hinauszulassen und hielt sie einen Spalt geöffnet, um ihn zu beobachten, bis er die Tür zu den Dienstbotengemächern erreicht hatte und dahinter verschwunden war. Dann ging ich zum Kleiderschrank und klopfte leise.
Niemand antwortete.
»Verity?« fragte ich und zog die Doppeltüren auf. Sie saß zusammengekauert hinten im Schrank, die Knie ans Kinn gezogen. »Verity?«
»Er wollte sie gar nicht ersäufen«, sagte sie und schaute zu mir hoch. »Dunworthy sagte, ich hätte nachdenken sollen, bevor ich handelte. Baine wäre zurückgekommen und hätte die Katze gerettet, wenn ich mich nicht eingemischt hätte.«
»Aber das sind doch gute Neuigkeiten. Es bedeutet, daß sie kein
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