Die Farben der Zeit
die Tatsache, daß Tossie und Terence verlobt sind«, entgegnete Verity. »Ich hätte nie annehmen dürfen, daß sie wirklich den ganzen Nachmittag bei den Chattisbournes zubringen würde.«
»Die Frage ist doch nicht«, sagte ich, »wessen Schuld diese Verlobung ist, sondern was wir jetzt unternehmen sollen.«
»Also – was machen wir jetzt?« Verity stellte einen Harlekin mit Kolumbine woanders hin.
»Vielleicht kommt Terence nach einem ausgiebigen Nachtschlaf wieder zur Besinnung und stellt fest, daß er einem schrecklichen Irrtum erlegen ist«, meinte ich.
Verity schüttelte den Kopf. »Das würde uns auch nicht helfen. In diesem Jahrhundert gelten Verlobungen beinahe soviel wie eine Heirat. Ein Gentleman kann nicht einfach eine Verlobung auflösen, ohne einen furchtbaren Skandal zu verursachen. Nein, bevor nicht Tossie ihrerseits die Verlobung löst, gibt es für Terence keine Möglichkeit, zu entkommen.«
»Das heißt, sie muß ihren Mr. C treffen«, sagte ich. »Und es heißt, daß wir herausfinden müssen, wer er ist, je eher, desto besser.«
»Das bedeutet, daß einer von uns beiden zu Dunworthy muß, um herauszufinden, ob unsere Expertin inzwischen seinen Namen entziffert hat«, antwortete Verity.
»Und das werde ich sein«, sagte ich bestimmt.
»Und wenn Lady Schrapnell Sie sieht?«
»Dieses Risiko muß ich eingehen«, sagte ich. »Sie jedenfalls springen nirgendwo mehr hin.«
»Keine schlechte Idee.« Verity legte die Hand auf die Stirn. »Mir ist nämlich inzwischen einiges eingefallen, was ich gestern im Boot gesagt habe.« Sie zog den Kopf ein. »Es ist Ihnen doch klar, daß nur die Zeitkrankheit und das hormonelle Ungleichgewicht mich dazu gebracht haben, all diese Dinge über Lord Peter Wimsey und Ihren Hut zu sagen, und nicht weil ich etwa…«
»Schon klar«, sagte ich. »Und ich halte Sie, wenn ich im Vollbesitz meiner Kräfte bin, auch nicht für eine wunderschöne Naiade, die mich tief, tief unter Wasser in ihre feuchte Umarmung ziehen will. Außerdem…« – ich grinste – »bin ich bereits Pansy Chattisbourne versprochen.«
»Vielleicht möchten Sie Ihr ein Verlobungsgeschenk kaufen«, sagte sie und hielt ein golden verziertes Tongefäß hoch, das eine Unzahl kleiner Löcher aufwies und in dem rosa Nelken aus Keramik steckten.
»Was ist das denn?« fragte ich.
»Keine Ahnung. Aber Sie werden etwas kaufen müssen, oder? Mrs. Mering würde es Ihnen sonst nie verzeihen.«
Sie hielt einen Weidenkorb hoch, der wie ein Schwan aussah. »Wie wäre es damit?«
»Nein, danke«, sagte ich. »Cyril und ich mögen keine Schwäne.«
Verity nahm eine kleine Blechschachtel in die Hand, in die man gezuckerte Veilchen füllte. »Das hier wird niemand kaufen.«
»Wenn Sie sich da bloß nicht täuschen.« Ich wickelte eine fleckige Ausgabe von Ein altmodisches Mädchen aus und legte sie zwischen zwei marmorne Buchstützen, die wie Dido und Aeneas geformt waren – noch ein Paar, dessen Glück sich in Rauch aufgelöst hatte. Gab es denn in der Weltgeschichte kein einziges berühmtes Paar, das einfach geheiratet, sich niedergelassen und für den Rest seiner Tage glücklich gelebt hatte?
»Die Leute kaufen auf diesen Basaren einfach alles«, sagte ich. »Bei dem Flohmarkt zugunsten der evakuierten Kinder kaufte eine Frau sogar einen Zweig, der zufällig vom Baum herab auf den Verkaufstisch gefallen war.«
»Schauen Sie nicht hin.« Verity senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ihre Braut kommt.«
Ich drehte mich um und sah Pansy Chattisbourne, die auf mich zusteuerte. »Oh, Mr. Henry«, kicherte sie. »Würden Sie mir helfen, den Stand mit den Galanteriewaren aufzubauen?« Sie zog mich fort, um gehäkelte Sesselschoner und mit Spitzen verzierte Schachteln für Taschentücher zu ordnen.
»Das hier habe ich gemacht«, sagte sie und zeigte mir ein Paar gehäkelte Pantoffeln mit Blumenmuster. »Stiefmütterchen. Wie mein Name. Es soll bedeuten ›Ich denk’ an dich‹.«
»Aha«, entgegnete ich und kaufte ein Lesezeichen, auf dem die Worte: »Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen. Matth. 6, Vers 19« eingestickt waren.
»Nein, nein, Mr. Henry!« Mrs. Mering schoß wie ein bunter Raubvogel auf mich und die im Kreuzstich gehäkelten Teedeckchen nieder. »Das ist nicht der richtige Platz für Sie. Ich brauche Sie dort drüben.«
Sie führte mich über den Rasen an den Ständen für die Strick- und Häkelwaren,
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