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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Madame Iritosky warf Count de Vecchio blitzschnell einen Blick zu. »So etwas!«
    »Was kann die Signora schon anfangen mit Rubinen«, sagte Count de Vecchio, »wenn sie besiiitzt solsch Edelstein wie ihrre Tochter? Ischt wie ein Diamant. Nein, wie ein zaffiro perfetto, wie Sie sagen gleisch – wie eine makellose Saphir.«
    Ich blickte zu Baine, der mit grimmigem Gesicht Suppe servierte.
    »Madame Iritosky hat einmal mit dem Geist eines Radschahs Kontakt aufgenommen«, erklärte Mrs. Mering. »Meinen Sie, daß es heute abend Manifestationen geben wird, Madame Iritosky?«
    »Heute abend?« fragte Madame Iritosky aufgeschreckt. »Nein, nein, heute abend findet keine Seance statt. Und morgen auch nicht. Solche Dinge darf man nicht übereilen. Ich brauche Zeit, um mich geistig darauf vorzubereiten.«
    Und deine Trompeten auszupacken, dachte ich. Ich schaute zu Verity hinüber und erwartete ein so grimmiges Gesicht wie das Baines, aber sie löffelte seelenruhig ihre Suppe.
    »Und Manifestationen sind hier vielleicht gar nicht möglich«, fuhr Madame Iritosky fort. »Sichtbare Phänomene zeigen sich nur dort, wo es, wie wir es nennen, Portale gibt, Verbindungen zwischen unserer Welt und der Welt jenseits…«
    »Aber hier gibt es ein Portal«, unterbrach sie Mrs. Mering. »Ich bin mir ganz sicher. Ich habe Geister im Haus und auf dem Grundstück gesehen. Ich bin sicher, wenn Sie uns heute abend eine Seance gewähren, daß wir eine Erscheinung sehen werden.«
    »Wir dürfen Madame Iritosky nicht überanstrengen«, mischte sich Verity ein. »Sie hat völlig recht. Reisen mit der Bahn sind ermüdend, und wir dürfen nicht verlangen, daß sie ihre wunderbaren geistigen Fähigkeiten über Gebühr beansprucht. Wir werden die Seance heute abend ohne sie abhalten.«
    »Ohne mich?« Madame Iritoskys Stimme klang eisig.
    »Wir können nicht im Traum erwarten, daß Sie Ihre spirituellen Kräfte für eine so armselige laienhafte Veranstaltung einsetzen. Wenn Sie wiederhergestellt sind, halten wir eine eine echte Seance ab.«
    Madame Iritosky öffnete den Mund, schloß ihn wieder und öffnete ihn erneut. Sie sah haargenau aus wie Colonel Merings kugeläugiger Ryunkin.
    »Fisch?« fragte Baine und hielt ihr die Platte mit der Seezunge vor.
    Runde Eins ging an uns. Wenn es bloß mit der Seance genauso gut ging.
    Um neun Uhr traf Reverend Arbitage ein. Ich nutzte die Gelegenheit, als sich alle miteinander bekanntmachten, dazu, die Drähte in meine Ärmel zu schieben, und dann gingen wir alle ins Wohnzimmer – abgesehen von Madame Iritosky, die sich ziemlich eingeschnappt entschuldigte und auf ihr Zimmer ging, und dem Colonel, der »Dummes Geschwätz!« murmelte und in die Bibliothek stapfte, um seine Zeitung zu lesen –, um uns um den Rosenholztisch zu setzen, den ich um nichts in der Welt würde anheben können, Hebelwirkung oder nicht.
    Verity bedeutete mir, mich neben sie zu setzen. Ich folgte und fühlte sofort ein Gewicht auf meinem Schoß.
    »Was ist das?« flüsterte ich im Schutz des Durcheinanders, in dem Terence, Count de Vecchio und Reverend Arbitage versuchten, einen Platz neben Tossie zu ergattern.
    »Prinzessin Arjumands Korb«, flüsterte Verity zurück. »Öffnen Sie ihn, wenn ich Ihnen das Zeichen gebe.«
    »Welches Zeichen?« fragte ich und fühlte einen harten Tritt gegen mein Schienbein.
    Count de Vecchio und Reverend Arbitage gewannen den Kampf, und Terence mußte mit dem Platz zwischen Mrs. Mering und dem Reverend vorliebnehmen. Professor Peddick setzte sich neben mich. »Napoleon interessierte sich auch für Spiritismus«, sagte er. »Er hielt in der Großen Pyramide von Gizeh eine Seance ab.«
    »Wirr müssen uns geben die Hand«, sagte Count de Vecchio zu Tossie und nahm ihre Hand in seine. »So…«
    »Ja, ja, wir müssen uns alle die Hand geben«, sagte Mrs. Mering. »Oh, Madame Iritosky!«
    Madame Iritosky stand im Türrahmen, in eine fließende purpurfarbene Robe mit weiten Ärmel gekleidet. »Die Geister haben mich aufgefordert, diesen Abend als Ihre Führerin zu dienen und den Vorhang zur Anderen Seite zu öffnen.« Sie legte den Handrücken an die Stirn. »Es ist meine Pflicht, egal, was es mich kostet.«
    »Wie wunderbar!« sagte Mrs. Mering. »Kommen Sie, setzen Sie sich. Baine, holen Sie einen Stuhl für Madame Iritosky.«
    »Nein, nein.« Madame Iritosky wies auf Professor Peddicks Stuhl. »Hier laufen die teleplasmischen Vibrationen zusammen.« Gehorsam räumte Professor Peddick seinen

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