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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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sein Name mit C beginnt.«
    Verity brachte nicht einmal ein Lächeln zustande. »Haben Sie vergessen, daß Tossie ihn nicht nach Coventry mitkommen ließ?«
    Ich setzte mich ihr gegenüber. »Ich persönlich setze auf den Geistlichen«, sagte ich. »Ein bißchen zu hochtrabend und glotzäugig für meinen Geschmack, aber Tossie hat ja bereits bewiesen, wie miserabel ihr Geschmack ist, und Sie haben gesehen, wie er sie angeglubscht hat. Ich wette, er steht morgen mit irgendeinem Vorwand in Muchings End vor der Haustür – daß er sich entschieden habe, Spiritist zu werden oder einen Ratschlag für die Wurfbude bräuchte oder so etwas. Sie verlieben sich, Tossie läßt Terence wie eine heiße Kartoffel fallen, und das nächste wird sein, daß sie das Aufgebot bestellen für Miss Tossie Mering und Reverend…«
    »Doult«, sagte Verity.
    »Meine Idee ist keineswegs aus der Luft gegriffen«, fuhr ich fort. »Sie hörten ja, wie die beiden über das Albert Mem…«
    »Doult. D-O-U-L-T«, sagte Verity. »Reverend Doult.«
    »Sind Sie sicher?«
    Sie nickte grimmig. »Mrs. Mering sagte mir seinen Namen, als wir in die Kutsche stiegen. ›Ein junger Mann mit guten Absichten, dieser Reverend Doult‹, sagte sie, ›aber nicht sehr intelligent. Er weigert sich, die Logik des Spiritismus zu erkennen.‹«
    »Sind Sie sicher, daß es Doult war und nicht…«
    »Colt?« Verity schüttelte den Kopf. »Ich bin mir ganz sicher. Der Geistliche ist nicht Mr. C.«
    »Nun, dann muß es einer der Männer auf dem Bahnsteig in Reading gewesen sein. Oder der Kurator in Muchings End.«
    »Er heißt Arbitage.«
    »Behauptet er. Und wenn das ein Deckname ist?«
    »Ein Deckname? Er ist Geistlicher.«
    »Ich weiß. Die Kirche würde aber vielleicht schlechtes Benehmen und Vergehen in der Jugendzeit nicht hingehen lassen, also mußte er einen anderen Namen annehmen. Und sein ständiges Auftauchen in Muchings End zeigt, daß er an Tossie Gefallen gefunden hat. Im übrigen – was bedeutet diese besondere Faszination, die sie auf Geistliche ausübt?«
    »Sie sind alle auf der Suche nach Ehefrauen, die bei der Sonntagsschule und bei den Kirchfesten helfen.«
    »Basare«, murmelte ich. »Ich wußte es. Reverend Arbitage interessiert sich für Spiritismus. Er ist dafür, alte Kirchen zu plündern. Er ist…«
    »…nicht Mr. C«, sagte Verity. »Ich habe nachgeforscht. Er hat Eglantine Chattisbourne geheiratet.«
    »Eglantine Chattisbourne?«
    Sie nickte. »Im Jahre 1897. Er wurde Vikar in St. Alban’s in Norwich.«
    »Und der Stationsvorsteher?« fragte ich. »Ich konnte seinen Namen nicht verstehen. Er…«
    »Tossie hat ihm nicht einmal einen Blick zugeworfen. Sie hat sich den ganzen Tag über für niemanden interessiert.« Verity lehnte sich müde in den Sitz zurück. »Wir müssen der Sache ins Auge sehen, Ned. Es gab für sie keine lebensentscheidende Erfahrung.«
    Sie sah so mutlos aus, daß ich das Gefühl hatte, sie einfach aufmuntern zu müssen. »Das Tagebuch sagte nicht, daß sie die Erfahrung in Coventry selbst gemacht hat«, sagte ich. »Es stand nur darin: ›Ich werde niemals den Tag vergessen, an dem wir nach Coventry fuhren.‹ Vielleicht ist es auf dem Heimweg passiert. Mrs. Mering hatte eine Vorahnung, daß etwas Schreckliches passieren wird. Vielleicht verunglückt der Zug, und Mr. C befreit Tossie aus den Trümmern.«
    »Ein Zugunglück.« Ihre Stimme klang sehnsüchtig. Sie stand auf und nahm den Schal. »Wir gehen besser zurück, ehe Mrs. Mering jemanden nach uns ausschickt«, sagte sie resigniert.
    Ich öffnete die Tür. »Warten Sie nur ab, etwas wird geschehen. Außerdem bleibt immer noch das Tagebuch. Und Finchs verwandtes Projekt, was immer das auch ist. Und wir haben noch ein halbes Dutzend Bahnhöfe vor uns und müssen einmal den Zug wechseln. Vielleicht wird Tossie mit Mr. C auf dem Bahnsteig in Reading zusammenprallen. Vielleicht ist sie es schon. Weil Sie nicht rechtzeitig zurückkommen sind, hat Mrs. Mering Tossie ausgeschickt, nach Ihnen zu suchen, und als der Zug um eine Kurve fuhr, fiel Tossie direkt in Mr. C’s Arme, fesch und unausstehlich wie sie ist, und er ist ganz zufällig derjenige, der des Bischofs Vogeltränke geschaffen hat, und jetzt sitzt sie in seinem Abteil und diskutiert mit ihm über victorianische Kunst.«
    Ja, von wegen! Als wir unser Abteil betraten, saß sie immer noch in ihrer Ecke und schaute mißmutig ins Regenwetter hinaus.
    »Da bist du ja!« sagte Mrs. Mering. »Wo hast du so lange

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