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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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zurückweichend. »Und um Haaresbreite hätte mich ein Spätzünder erwischt, aber sonst geht’s mir gut.« Er entwand sich Miss Warders Armen. »Ich glaubte schon, das Netz arbeite nicht mehr und ich müsse den ganzen verdammten Krieg lang dort bleiben. Wo, um alles in der Welt, wart ihr?«
    »Dabei, dich rauszuholen«, erwiderte Miss Warder und strahlte ihn an. »Wir dachten auch, mit dem Netz sei etwas nicht in Ordnung. Dann kam ich auf die Idee, eine Beschleunigung laufen zu lassen, um damit die Blockade, oder was es auch war, zu umgehen.« Sie hakte sich bei ihm ein. »Bist du sicher, daß alles in Ordnung ist? Brauchst du irgendwas?«
    »Ich bräuchte von Ihnen Verity«, mischte ich mich ein. »Und zwar jetzt! Geben Sie eine Fixierung auf sie ein. Sofort!«
    Dunworthy nickte.
    »Schon gut!« sagte Miss Warder giftig und stapfte zur Konsole hinüber.
    »Sie hatten doch keine Probleme beim Sprung, oder?« fragte T. J. Carruthers.
    »Abgesehen davon, daß sich das Netz drei Wochen lang nicht öffnete, nein«, entgegnete dieser.
    »Ich meine mit dem Ziel. Kamen Sie zuerst woanders an, bevor Sie hier landeten?«
    Carruthers schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie irgendeine Vermutung, warum sich das Netz nicht öffnete?«
    »Nein«, sagte Carruthers. »Ein Spätzünder ging etwa hundert Meter neben dem Absetzort hoch. Ich dachte, es hätte vielleicht damit zu tun.«
    Ich ging zur Konsole. »Schon irgend etwas rausbekommen?«
    »Nein«, sagte Miss Warder. »Und hängen Sie nicht über mir wie ein Geier. Ich muß mich konzentrieren.«
    Ich kehrte zu Carruthers zurück, der sich vor T. J.’s Simulationscomputer gesetzt hatte und gerade seine Stiefel auszog.
    »Etwas Gutes hatte die Sache jedenfalls«, meinte er und zog einen unglaublich schmutzigen Socken aus. »Ich kann Lady Schrapnell definitiv berichten, daß sich des Bischofs Vogeltränke nicht in den Trümmern befindet. Wir haben jeden Zentimeter der Kathedrale abgesucht und sie nicht gefunden. Aber sie war während des Angriffs dort. Die Vorsitzende des Blumenausschusses, so eine schreckliche alte Jungfer namens Sharpe – Sie wissen schon, graues Haar, lange Nase, hart wie Stahl – sah das Ding um fünf Uhr an jenem Nachmittag. Sie war auf dem Heimweg von einem Treffen des Adventsbasars zugunsten des Komitees ›Päckchen-für-unsere-Soldaten‹ und sie bemerkte, daß ein paar der Chrysanthemen welk geworden waren. Also blieb sie stehen und entfernte sie.«
    Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, damit beschäftigt, Miss Warder zu beobachten, die auf die Tastatur schlug, den Schirm anstarrte, sich nachdenklich zurücklehnte, wieder die Tastatur bearbeitete. Sie hat keine Ahnung, wo Verity sein könnte, dachte ich.
    »Sie nehmen also an, daß die Vogeltränke den Flammen zum Opfer fiel?« fragte Dunworthy.
    »Ich ja«, sagte Carruthers, »und jeder andere auch, ausgenommen Miss Sharpe, diese fürchterliche Harpyie. Sie behauptet felsenfest, sie sei gestohlen worden.«
    »Während des Angriffs?« fragte Dunworthy.
    »Nein. Sie sagt, sobald der Alarm losging, sei sie zurückgekommen, um Wache zu stehen, also muß das Ding nach fünf und vor acht Uhr entwendet worden sein und wer immer es auch genommen hat, muß gewußt haben, daß in jener Nacht ein Angriff erfolgen würde.«
    Auf dem Schirm tauchten rasch hintereinander Zahlenkolonnen auf. Miss Warder beugte sich vor, ihre Finger huschten über die Tasten.
    »Haben Sie die Fixierung?« fragte ich.
    »Ich bin dabei«, sagte sie gereizt.
    »Miss Sharpe war geradezu besessen von ihrem Verdacht«, fuhr Carruthers fort, streifte den zweiten Socken ab und stopfte ihn in den Stiefel. »Befragte jeden, der sich während des Angriffs in oder in der Nähe der Kathedrale aufgehalten hatte, beschuldigte den Schwager des Kirchendieners, schrieb sogar einen Brief an den Herausgeber der Örtlichen Zeitung. Sie machte jeden damit fix und fertig. Ich brauchte mich überhaupt nicht zu bemühen, sie erledigte alles für mich. Falls jemand des Bischofs Vogeltränke gestohlen haben sollte – Sie können sicher sein, Miss Sharpe hätte den Dieb gefunden.«
    »Ich hab’s«, sagte Miss Warder. »Verity ist in Coventry.«
    »Coventry?« fragte ich. »Wann?«
    »Vierzehnter November 1940.«
    »Wo?«
    Sie tippte und die Koordinaten erschienen auf dem Bildschirm.
    »Das ist die Kathedrale«, sagte ich. »Welche Uhrzeit?«
    Wieder tippte sie. »Fünf Minuten nach acht Uhr abends.«
    »Der Angriff.« Ich ging aufs Netz zu. »Schicken Sie mich

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