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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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und der grünliche Schein, der durch sie fiel, erleuchtete für einen Moment die Kirche mit einem morbiden Rötlichblau. Verity war nirgends zu sehen. Wo mochte sie hingegangen sein? Ich hätte angenommen, daß sie dicht beim Netz bleiben würde, aber vielleicht hatte sie der Angriff so in Schrecken versetzt, daß sie irgendwo Schutz gesucht hatte. Doch wo?
    Das Dröhnen der Flugzeuge wurde zum wütenden Röhren. »Verity!« schrie ich durch das Getöse. Auf dem Dach hörte man Getrappel, wie Hagelschauer, dann ein Klopfen und erstickte Rufe. Die Brandwache, die oben auf dem Dach Brandbomben löschte. Hatte Verity sie gehört und sich irgendwo versteckt, damit man sie nicht sah?
    Über mir krachte es. Ein scharfes Zischen folgte, und ich schaute hoch, glücklicherweise, denn dadurch entging ich dem Schicksal, von einer Brandbombe getroffen zu werden. Sie fiel auf eine der Kirchenbänke, zischend und bronzene Funken auf das Holz sprühend. Ich schnappte ein Gesangbuch vom Rückenteil der nächsten Bank und schleuderte damit die Bombe auf den Boden. Sie rollte in den Gang, an die Bank auf der gegenüberliegenden Seite.
    Ich kickte sie fort, aber das Holz qualmte bereits. Die Bombe spuckte und sprühte, wand sich wie ein Lebewesen. Sie traf auf die Balustrade vor dem Altar und loderte feurigweiß auf.
    Eine Handpumpe, dachte ich und schaute mich aufgeregt um, aber man hatte offenbar alle aufs Dach geschafft. In der Südtür hing ein Eimer. Ich rannte zurück, schnappte ihn mir und hoffte, daß Sand darin war. Ich hatte Glück. Wieder bei der Balustrade, kippte ich den Sand auf die Bombe und das bereits brennende Geländer, dann trat ich zurück und wartete, ob sie weiter Feuer spie.
    Ich hatte wieder Glück. Mit dem Fuß kickte ich die Bombe in die Mitte des Hauptgangs und vergewisserte mich, daß das Feuer an der Balustrade gelöscht war. Den Sandeimer hatte ich fallenlassen, und er war unter eine der Bänke gerollt, wo ihn morgen der Kirchendiener finden und in Tränen ausbrechen würde.
    Ich stand da und schaute ihn an. Was hatte ich getan? Ich hatte ohne nachzudenken gehandelt, genau wie Verity, als sie der Katze hinterher ins Wasser watete. Aber hier gab es keine Chance, den Lauf der Geschichte zu verändern. Die Luftwaffe war gerade dabei, alle möglichen Inkonsequenzen zu korrigieren.
    Ich schaute hoch zu der Mercerschen Kapelle. Flammen züngelten bereits durch ihre geschnitzte Holzdecke, und kein noch so großes Aufgebot an Sandeimern würde sie ersticken können. In zwei Stunden würde die ganze Kathedrale in Flammen stehen.
    Draußen vor der Girdlerschen Kapelle hörte man einen dumpfen Laut, als dort etwas aufschlug, was für einen Moment die Kapelle erhellte. In dem Augenblick, bevor das Licht wieder erlosch, konnte ich das Holzkreuz aus dem fünfzehnten Jahrhundert erkennen, zu dessen Füßen die geschnitzte Figur eines Kindes kniete. In einer halben Stunde würde Probst Howard es sehen, hinter einer Feuerwand, und der gesamte östliche Teil der Kathedrale würde lichterloh brennen.
    »Verity!« rief ich, und meine Stimme hallte durch die sich wieder verdunkelnde Kirche. »Verity!«
    »Ned!«
    Ich wirbelte herum. »Verity!« schrie ich und hastete den Hauptgang hinunter. Am Ende des Kirchenschiffs hielt ich schlitternd an. »Verity?« Ich blieb lauschend stehen.
    »Ned!«
    Die Stimme kam von draußen. Das Südportal… Ich rannte quer durch die Bänke, über die Einfassungen stolpernd, und aus dem Portal heraus.
    Draußen hatte sich eine Gruppe Menschen versammelt, die beklommen zum Dach hochschaute. An einem Laternenpfahl lehnten, die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben, zwei flegelhaft aussehende Halbwüchsige und diskutierten über ein Feuer im Westen. »Riecht wie Zigarrenqualm«, sagte der größere der beiden, so gelassen, als sprächen sie übers Wetter. »Komisch.«
    »Der Tabakladen an der Ecke Broadgate«, erwiderte der kleinere. »Wären wir bloß hin und hätten uns ein paar von den Zigarren untern Nagel gerissen, bevor der Laden futsch ist.«
    »Haben Sie ein Mädchen aus der Kirche herauskommen sehen?« fragte ich den Nächststehenden, eine Frau mittleren Alters mit einem Taschentuch.
    »Sie wird doch kein Feuer fangen, oder?« fragte sie.
    O doch, dachte ich. »Die Brandwache ist oben«, erwiderte ich. »Haben Sie ein Mädchen aus der Kirche rausrennen sehen?«
    »Nein«, sagte sie, ihren Blick sofort wieder zum Dach hoch wendend.
    Ich rannte die Bayley Lane hinunter und dann wieder

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