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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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durch.«
    »Wenn das Netz nicht funktioniert…« sagte T. J.
    »Schicken Sie ihn durch«, sagte Dunworthy.
    »Das haben wir doch schon probiert, oder?« fragte Carruthers. »Niemand kam an diesen Ort heran, du auch nicht, Ned. Wieso denkst du, daß…«
    »Gib mir deinen Overall und den Helm«, sagte ich.
    Er schaute zu Dunworthy und machte sich daran, seine Sachen auszuziehen.
    »Was hatte Verity an?« wollte Dunworthy wissen.
    Carruthers reichte mir den Overall, und ich zog ihn über den Tweedanzug. »Ein langes hochgeschlossenes Kleid«, sagte ich und bemerkte im selben Moment, daß ich vorher einer irrigen Annahme erlegen war. Ihre Kleider würden inmitten eines Luftangriffs keine Inkonsequenz erzeugen. Keiner würde sie überhaupt bemerken. Und wenn ja, würde man denken, sie trüge ein Nachthemd.
    »Hier, nehmen Sie das«, sagte T. J. und reichte mir einen Regenmantel.
    »Ich brauche ein fünfminütiges Intermittent.« Ich nahm den Regenmantel und trat ins Netz. Miss Warder senkte die Schleier.
    »Falls du auf dem Gemüsekürbisfeld landest«, rief Carruthers, »die Scheune liegt westlich.«
    Das Netz begann zu schimmern.
    »Achte auf die Hunde«, sagte Carruthers. »Und die Bauersfrau…«
    Und ich fand mich genau dort wieder, wo ich hergekommen war. In der gleichen pechschwarzen Finsternis. Das hieß, ich war in der darauffolgenden Nacht gelandet oder in einer von Tausenden oder Hunderttausenden von Nächten, während die Kathedrale sich ihren Weg durchs Mittelalter bahnte. Und in der Zwischenzeit steckte Verity mitten in einem Luftangriff. Und alles, was ich tun konnte, war stehenzubleiben und darauf zu warten, daß sich das verdammte Netz wieder öffnete.
    »Nein!« Ich schlug mit der Faust gegen den rauhen Stein. Und die Welt um mich herum explodierte.
    Wamm! machte es, krachte laut, und im Osten ratterte Flakfeuer los. Die Dunkelheit flammte weißblau auf und dann in erlöschendem Rot, und ich roch beißenden Rauch.
    »Verity!« schrie ich und hetzte die Stufen zum Glockenturm hinauf, wobei ich diesmal nicht vergaß zu zählen. Um mich herum war genügend orangefarbenes Licht, damit ich etwas sah. Auch hier hing Rauchgeruch in der Luft.
    Ich erreichte die Plattform des Glockenturms. »Verity!« schrie ich die Treppe hoch. »Bist du dort oben?« Tauben, ohne Zweifel Nachfahren derjenigen, die ich vor sechshundert Jahren aufgestört hatte, flogen wild mit den Flügeln schlagend vom Turm herunter und mir ins Gesicht.
    Sie war nicht dort oben. Rufend rannte ich die Stufen wieder hinab, bis ich die Stelle erreicht hatte, wo ich durchgekommen war. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, zählte ich von dort ab. »Verity!« Meine Stimme versuchte, das Dröhnen der Flugzeuge und das Heulen der Luftschutzsirene, die verspätet und nutzlos eingesetzt hatte, zu übertönen.
    Dreiundfünfzig, vierundfünfzig, zählte ich. »Verity! Wo bist du?«
    Ich erreichte die letzte Stufe. Achtundfünfzig. Vergiß das bloß nicht, dachte ich und stieß die Turmtür auf. Ich befand mich in der westlichen Vorhalle. Hier roch es stärker nach Rauch, mit einem würzigen scharfen Beigeschmack wie Zigarrenqualm.
    »Verity!« rief ich. Ich öffnete die schwere innere Tür des Turms. Und befand mich im Kirchenschiff.
    Die Kirche war dunkel, bis auf das Ewige Licht beim Kruzifix und einen roten Schein hinter den Fenstern der Lichtgaden. Ich versuchte, die Zeit zu bestimmen. Ein Großteil der Explosionen schien drüben im Norden erfolgt zu sein, und von dort hörte man auch Sirenengeheul. Dichter Rauch stieg neben der Orgel auf, aber in der Girdlerschen Kapelle brannte es nicht, die doch frühzeitig getroffen worden war. Also konnte es nicht später als halb neun sein und Verity nicht länger hier als ein paar Minuten.
    »Verity!« rief ich, und meine Stimme hallte in der dunklen Kirche wider.
    Die Mercersche Kapelle war bei der ersten Serie Brandbomben getroffen worden. Ich ging den Mittelgang zum Chor hoch. Warum hatte ich bloß keine Taschenlampe mitgebracht?
    Das Flakfeuer brach ab, nur um sofort wieder mit vermehrter Stärke einzusetzen, und das Brummen der Flugzeuge wurde lauter. Man hörte die dumpfen Einschläge der Bomben genau östlich, und greller Feuerschein erhellte die Fenster. Die Hälfte von ihnen, bei denen das Buntglas entfernt und in Sicherheit gebracht worden war, war mit Verdunklungspapier abgedeckt oder mit Brettern vernagelt, aber drei der Fenster im nördlichen Teil der Kirche waren noch in ihrem ursprünglichen Zustand,

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