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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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mir sicher. Er mußte wegen des Rauches ganz ums Kirchenschiff herumlaufen zum Südgang. Ich sah, was er dabei hatte. Er rannte direkt an mir vorbei.«
    »Hast du einen von der Brandwache in der Draperschen Kapelle gesehen?«
    »Nein.«
    »Und du selbst warst auch nicht in der Draperschen Kapelle?«
    »Das sagte ich dir doch schon. Ich kam im Allerheiligsten an, und dann war ich in der Mercerschen Kapelle und dann im hohen Chor. Das ist alles.«
    »Konntest du von dem Platz aus, wo du dich versteckt hattest, das Nordportal sehen?«
    Verity nickte.
    »Und keiner ging dort hinaus?«
    »Es war verschlossen«, erwiderte sie. »Ich hörte, wie ein Mann von der Brandwache zu einem anderen sagte, er solle das Portal aufschließen, damit die Feuerwehr die Schläuche hindurch verlegen könne, und der andere erwiderte, sie müßten von außerhalb löschen, weil die Smithsche Kapelle brenne.«
    »Und durchs Westportal? Oder die Turmtür?«
    »Die Leute von der Brandwache gingen alle durch die Sakristeitür.«
    »Hast du sonst jemanden in der Kathedrale gesehen?« fragte ich. »Außer der Brandwache und den Feuerwehrleuten?«
    »In der Kathedrale? Ned, sie stand in Flammen.«
    »Wie war die Brandwache angezogen?«
    »Angezogen?« fragte Verity verdutzt. »Weiß ich nicht. Uniformen, Overalls. Ich… Der Kirchendiener trug einen Blechhelm.«
    »Hatte einer von ihnen etwas Weißes an?«
    »Weiß? Nein, gewiß nicht. Ned, was…?«
    »Konntest du von deinem Versteck aus das Westportal oder die Turmtür sehen?«
    Sie nickte.
    »Und niemand verließ die Kathedrale durch das Westportal, während du dort warst? Du hast auch niemanden in der Draperschen Kapelle gesehen?«
    »Nein. Ned, was soll das?«
    Das Nordportal war verschlossen gewesen, Verity hatte das Südportal genau gesehen und davor hatten die ganze Zeit über Menschen gestanden – die Dachgucker und die zwei Halbstarken am Laternenpfahl. Die Brandwache hatte die Sakristeitür benutzt, und bald, nachdem Probst Howard es mit den Altarbüchern ins Freie geschafft hatte, war diese durch die Flammen versperrt gewesen. Und bei der Sakristeitür hatten auch Menschen gestanden. Der stämmige Luftschutzhelfer machte seine Runden. Und der Drachen vom Blumenausschuß stand Wache am Westportal. Es gab keine Möglichkeit, unbeobachtet aus der Kathedrale herauszukommen.
    Es gab keine Möglichkeit, unbeobachtet aus der Kathedrale herauszukommen. Es hatte für mich auch keine Möglichkeit gegeben, unbeobachtet aus dem Labor zu entkommen. Und keinen Platz, mich zu verstecken. Außer im Netz.
    Ich packte Verity an den Armen. Ich hatte mich im Netz versteckt, verborgen hinter den Theatervorhängen, und gehört, wie Lizzie Bittner sagte: »Ich würde alles für ihn tun.« In Oxford im Jahre 2018. Wo T. J. ein Gebiet mit rapide ansteigendem Schlupfverlust entdeckt hatte.
    »Es ist nur, weil wir nicht so große Schätze wie Canterbury und Winchester besitzen«, hatte Lizzie Bittner gesagt, deren Ehemann ein direkter Nachfahre der Botoners war, welche die Kirche 1385 hatten erbauen lassen. Lizzie Bittner, die gelogen hatte, als sie sagte, die Labortür sei offen gewesen. Die einen Schlüssel dazu besaß.
    »Es stellt sich heraus, daß das, was man für das erste Verbrechen gehalten hat, das zweite ist«, hatte die pelzbehangene Dame gesagt. »Das erste Verbrechen geschah schon Jahre davor.« Oder danach. Schließlich sprachen wir hier von Zeitreisen. Und in einer der Waterloo-Simulationen war das Kontinuum mit seiner Selbstkorrektur bis ins Jahr 1812 zurückgegangen.
    Und der Hinweis, die Kleinigkeit, die nicht paßte, war der erhöhte Schlupfverlust. Der, der nicht bei Veritys Sprung eintrat, um sie davor zu bewahren, die Katze zu retten und die Inkonsequenz herbeizuführen. Fünf Minuten früher oder später hätten gereicht, um es zu verhindern, aber statt dessen waren es neun Minuten gewesen. Neun Minuten, um sie mitten in den Schauplatz des Verbrechens zu bugsieren.
    »Bei jeder der simulierten Inkonsequenzen tritt am Ort des Geschehens ein erhöhter Schlupfverlust auf«, hatte T. J. gesagt. Bei jeder von ihnen. Sogar bei denjenigen, die zu groß waren und vom Kontinuum nicht mehr korrigiert werden konnten. Außer bei unserer.
    Alles, was wir hatten, war eine Ballung von Verlusten im Jahr 2018, von der T. J. gemeint hatte, sie sei zu weit entfernt vom Ort des Geschehens. Und Coventry, was ein Krisenpunkt war.
    »Ned«, drängte Verity. »Was ist los?«
    »Pscht.« Ich hielt mich an ihren

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