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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Es ist schrecklich, Lady Schrapnell das sagen zu müssen, sie hatte sich so auf die Kathedrale versteift. Du hattest recht. So seltsam es auch scheinen mag, jemand hat sie in Sicherheit gebracht.«
    Verity runzelte die Stirn. »Bist du sicher, daß du auf die richtige Stelle geblickt hast?«
    Ich nickte. »Zwischen die dritte und vierte Säule, auf die Chorschranke der Smithschen Kapelle.«
    »Aber das ist unmöglich«, sagte sie. »Sie war dort. Ich habe sie gesehen.«
    »Wann? Wann hast du sie gesehen?«
    »Direkt, nachdem ich durchkam«, sagte Verity.
    »Wo?«
    »Im Nordgang. An der Stelle, wo wir gestern waren.«
    Die Luft knisterte etwas, und das Netz begann zu schimmern. Verity bückte sich, hob ihre Taschen hoch und trat aufs Gras hinaus.
    »Moment mal.« Ich packte ihren Arm. »Sag mir genau, wann und wo du sie gesehen hast.«
    Sie schaute nervös auf das schimmernde Netz. »Sollten wir nicht…« – »Wir nehmen den nächsten«, sagte ich. »Sag mir genau, was passiert ist. Du kamst im Allerheiligsten an…«
    Verity nickte. »Die Sirenen heulten, aber ich hörte keine Flugzeuge, und in der Kirche war es dunkel. Auf dem Hauptaltar brannte ein kleines Licht und noch eins vor dem Kruzifix. Ich dachte, es wäre besser, nahe beim Netz zu bleiben, für den Fall, daß es sich gleich wieder öffnete. Also versteckte ich mich in einer der Sakristeien und wartete ab. Nach einer Weile sah ich durch die Tür Fackeln und daß die Brandwache in die Kathedrale kam, um hinauf aufs Dach zu gehen. Einer von den Männern sagte: ›Sollen wir nicht besser damit anfangen, die Sachen aus den Sakristeien zu holen?‹, deshalb schlich ich mich in die Mercersche Kapelle und versteckte mich dort. Von dort aus konnte ich den Absetzort im Auge behalten.«
    »Und dann fing die Mercersche Kapelle Feuer.«
    Verity nickte. »Ich wollte zur Sakristeitür, aber überall war Rauch, und offenbar lief ich im Kreis herum. Schließlich fand ich mich im Chor wieder. Dort habe ich mir dann die Hand an dem Bogengewölbe aufgeschürft. Ich erinnerte mich, daß der Turm nicht brannte, also ging ich auf die Knie runter und arbeitete mich am Geländer entlang, bis ich im Kirchenschiff anlangte, wo weniger Rauch war und ich wieder aufstehen konnte.«
    »Und was war dann?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie mit einem besorgten Blick zum Netz. »Wenn es sich nun nicht wieder öffnet? Vielleicht sollten wir in Oxford weiter über das alles reden.«
    »Nein«, sagte ich. »Wann hast du dich im Kirchenschiff hingestellt?«
    »Ich weiß es nicht genau. Kurz bevor sie damit begannen, die Sachen rauszutragen.«
    Der Schimmer flammte zum Lichtschein auf. Aber ich ignorierte es. »Also gut. Du krochst ins Kirchenschiff…«
    »Ich kroch ins Kirchenschiff hinunter, und nachdem ich halbwegs unten war, wurde der Rauch weniger, und ich konnte das Westportal sehen. Ich hielt mich an der nächsten Säule fest und stand auf, und dort war sie, direkt vor der Chorschranke. Auf dem Pfosten, mit einem üppigen Bukett gelber Chrysanthemen darin.«
    »Bist du sicher, daß es des Bischofs Vogeltränke war?«
    »Sie ist unverwechselbar«, antwortete sie. »Ned, was soll das alles?«
    »Was hast du dann getan?«
    »Okay, sagte ich mir, nun hast du wenigstens etwas zustande gebracht. Du kannst Ned sagen, daß sie während des Angriffs in der Kirche war. Falls du hier heil rauskommst. Ich wollte zur Turmtür, aber der Gang war durch eine Bank blockiert, die umgefallen war und um die mußte ich herumlaufen. Bevor ich den Turm erreicht hatte, kam die Brandwache und holte die Gegenstände.«
    »Und?« bohrte ich weiter.
    »Ich lief geduckt in die Cappersche Kapelle hinüber und versteckte mich dort.«
    »Wie lang warst du dort?«
    »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht eine Viertelstunde. Jemand von der Brandwache kam herein und holte die Altarbücher. Ich wartete, bis der Mann wieder fort war, dann ich ging ins Freie, um dich zu suchen.«
    »Durch das Südportal?«
    »Ja«, sagte sie mit einem Blick aufs Netz, das schrumpfte und blasser wurde.
    »Standen Menschen auf den Stufen, als du herauskamst?«
    »Ja. Wenn wir die Chance verpassen, nach Hause zu kommen…«
    »War irgend jemand von der Brandwache in der Nähe der Vogeltränke?«
    »Nein. Sie gingen ins Allerheiligste und die Sakristeien, und einer von ihnen rannte hinunter und holte das Altarkreuz und die Kerzenleuchter aus der Smithschen Kapelle.«
    »Und sonst nahm er nichts mit?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich bin

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