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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Kein Problem…
    Ein Plätzchen war eine Sache, ein lebendiges Kätzchen eine andere. Und selbst ein Plätzchen würde nicht durchs Netz gelangen. Darby und Gentilla hatten dies bewiesen, damals zu Beginn der Zeitreisen. Sie bauten das Netz als eine Art Piratenschiff, um damit die Schätze der Vergangenheit zu plündern, und probierten es bei allem aus, von der Mona Lisa bis hin zum Grabmal von Tutenchamun, und als das nicht klappte, an alltäglicheren Dingen wie Geld zum Beispiel. Doch außer mikroskopisch kleinen Teilchen gelangte nichts durch das Netz. Wenn sie versuchten, Gegenstände, selbst kleine Münzen oder Fischgabeln, aus ihrer angestammten Zeit zu entfernen, öffnete sich das Netz nicht. Es ließ auch weder Keime noch Strahlung oder elektromagnetische Strömungen durch, worüber Darby, Gentilla und der Rest der Welt hätten dankbar sein müssen, es aber sicher nicht waren.
    Die Multis, die Darby und Gentillas Projekte finanzierten, verloren das Interesse, und Zeitreisen wurde Historikern und Wissenschaftlern überlassen, die die Theorien des Schlupfverlustes entwickelten und das Gesetz der Beständigkeit der Geschichte, um die Theorien zu untermauern, und es wurde allgemein als physikalisches Gesetz akzeptiert, daß sich das Netz nicht öffnete, wenn jemand versuchte, etwas aus der Vergangenheit in die Zukunft zu transportieren. Bis jetzt…
    »Das Netz öffnete sich also einfach, als Sie versuchten, die Katze mit durchzubringen?« fragte ich. »Ist Ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen, Verzögerungen oder Hüpfer?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es war wie immer.«
    »Und der Katze ging es gut?«
    »Sie schlief. Schlief während des Sprungs in meinem Arm ein und wachte nicht einmal auf, als wir zu Dunworthys Büro kamen. Offenbar wirkt die Zeitkrankheit so auf Katzen. Völliger Blackout.«
    »Sie gingen zu Dunworthy?«
    »Natürlich«, sagte sie. »Ich brachte die Katze sofort zu ihm, als ich merkte, was ich angestellt hatte.«
    »Und er entschied sich für den Versuch, sie zurückzuschicken?«
    »Ich bekam aus Finch so viel heraus, daß sie offenbar sofort alle Sprünge ins victorianische Zeitalter überprüfen wollten, und falls es keinen Hinweis auf außergewöhnliche Schlupfverluste gab, hieße das, die Katze sei zurückgebracht worden, bevor ihr Verschwinden Probleme ergeben konnte, und demzufolge wollte man sie zurückschicken.«
    Aber es hatte doch ungewöhnliche Verluste gegeben, dachte ich. Hatte Dunworthy nicht Carruthers über Coventry befragt?
    »Und was war mit den Problemen, die in Coventry auftauchten?«
    »Die hatten laut Finch nichts mit uns zu tun, sondern mit der Tatsache, daß Coventry ein geschichtlicher Krisenpunkt ist. Wegen seiner Verbindung mit Ultra. Es war das einzige Gebiet mit außerordentlichen Verlusten. Bei den Sprüngen ins victorianische Zeitalter gab es keine.« Sie schaute zu mir hoch. »Wie hoch war der Schlupfverlust bei Ihrem Sprung?«
    »Ich hatte keinen«, sagte ich. »Ich traf genau ins Schwarze.«
    »Gut«, sagte sie mit erleichterter Miene. »Bei mir waren es nur fünf Minuten. Finch sagte, eine Inkonsequenz manifestiere sich zuerst in einem verzögerten Sprung…«
    »Oh, ich liiiebe Dorffriedhöfe«, erklang Tossies Stimme, und ich wich von Verity zurück wie ein victorianischer Liebhaber. Verity bewahrte Haltung, öffnete ihren Schirm und erhob sich mit gelassener Grazie.
    »Sie sind so herrlich ländlich«, sagte Tossie und kam mit wehenden Fahnen ins Blickfeld. »Ganz anders als unsere modernen Friedhöfe.« Sie blieb stehen, um einen Grabstein zu bewundern, der halb umgestürzt war. »Baine sagt, Kirchhöfe seien etwas Unhygienisches. Sie verunreinigten den Grundwasserspiegel, aber ich glaube, der bleibt völlig unberührt davon. Was meinen Sie, Mr. St. Trewes?«
    »›An dieser Ulme, diesem Eschenbaum‹«, zitierte Terence pflichtbewußt, »›wo sich der Grund in Moderhügeln hebt‹…«
    Diese Bemerkung über Moder schien Baines Ansicht zu bestätigen, aber es fiel weder Tossie noch Terence auf. Terence vor allem nicht, der weiter deklamierte: »›Ruh’n rohe Ahnen in dem engen Raum, die in dem kleinen Dörfchen einst gelebt.‹«
    »Oh, ich liiiebe Tennyson«, sagte Tossie. »Du nicht auch, Cousine?«
    »Thomas Gray«, erwiderte Verity. »Elegie, geschrieben auf einem Dorfkirchhof.«
    »Oh, Mr. Henry«, fuhr Tossie fort, als hätte sie Verity nicht gehört, »Sie müssen unbedingt das Innere der Kirche anschauen. Die verzierte Vase dort ist

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