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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Schild mit der Aufschrift: »Keine Einrichtungsgegenstände aus der Kirche entfernen!«. »Ich dachte, Victorianer wären immer ziemlich lange verlobt gewesen.«
    »Stimmt auch.« Verity schaute grimmig. »Und nach der Verlobungszeit wurde das Aufgebot an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen von der Kanzel herab verlesen, gar nicht zu reden von den Antrittsbesuchen bei den Eltern und dem Nähen der Aussteuer. Und jetzt ist bereits Mitte Juni.«
    »Wann heirateten sie?«
    »Das wissen wir auch nicht. Die Kirche von Muchings wurde während der letzten großen Epidemie niedergebrannt, und die späteren Tagebücher erwähnen das Heiratsdatum nicht.«
    Mir fiel etwas ein. »Aber sie erwähnte doch sicher seinen Namen? Dieser Eintrag vom sechsten Mai kann doch nicht der einzige in fünfzig Jahren gewesen sein, in dem sie ihren Ehemann erwähnte.«
    Sie schaute unglücklich. »Sie nannte ihn immer nur ›meinen lieben Schatz‹ oder ›meinen geliebten Gatten‹. Geliebt und Schatz jeweils unterstrichen.«
    Ich nickte. »Und mit Ausrufungszeichen.« Ich hatte einige der Tagebücher wegen eventueller Hinweise auf des Bischofs Vogeltränke lesen müssen.
    Wir schlenderten zu dem seitlichen Gang hinüber. »Nach unserem Sommer hier hörten die Tagebücher für ein paar Jahre auf«, sagte Verity. »Sie begannen erst wieder 1904. Da lebten sie in Amerika, und er arbeitete in Stummfilmen unter dem Künstlernamen Bertram F. Fauntleroy, den er, als der Tonfilm kam, 1927 in Reginald Fitzhugh-Smythe änderte.«
    Sie blieb vor einem Buntglasfenster stehen, das zur Hälfte von dem Schild: »Bitte nicht öffnen!« verdeckt wurde. »Er hatte eine lange und beeindruckende Karriere als Darsteller britischer Aristokraten.«
    »Was heißt, daß er wahrscheinlich einer war. Zumindest ein Hinweis, oder? Wenigstens war er offenbar kein zufällig vorbeikommender Landstreicher.« Mir fiel noch etwas ein. »Welcher Name stand in seiner Todesanzeige?«
    »Sein Künstlername«, erwiderte sie. »Und in ihrer ebenso.« Sie lächelte gequält. »Sie wurde siebenundneunzig. Fünf Kinder, dreiundzwanzig Enkel und ein großes Filmstudio in Hollywood.«
    »Und so gut wie kein Hinweis. Wie steht’s mit Coventry? Könnte sie diesen mysteriösen Mr. C dort getroffen haben, während sie des Bischofs Vogeltränke bewunderte, und könnte das ihr Leben für immer verändert haben?«
    »Möglich«, sagte Verity. »Doch da gibt es noch ein Problem. Bis jetzt haben sie nichts von einem Ausflug nach Coventry erzählt. Mrs. Mering sprach davon, nach Hampton Court zu fahren, um Catherine Howards Geist zu sehen, aber von Coventry war noch nicht die Rede, und bevor ich hierhergekommen bin, waren sie auch nicht dort gewesen. Das weiß ich, weil ich…«
    »… das Stubenmädchen fragte«, sagte ich.
    »Ja. Und wir wissen, daß Tossie irgendwann im Juni Coventry besuchte. Deshalb beunruhigte es mich so, daß sie jetzt nach Oxford fuhren, um Madame Iritosky aufzusuchen. Ich befürchtete, das Verschwinden von Prinzessin Arjumand hätte sie dazu veranlaßt, obwohl sie eigentlich nach Coventry wollten, oder daß Mr. C nach Muchings End kommen könnte, während Tossie hier ist und sie dadurch verpassen würde. Aber wenn Dunworthy und T. J. Prinzessin Arjumand zurückgeschickt haben, bedeutet das, die Katze streunt einfach herum. Und wer weiß? Vielleicht ist Mr. C derjenige, der sie findet und zurückbringt. Vielleicht ist das der Grund für die plötzliche Verlobung, weil Tossie ihm so dankbar ist, daß er Arjumand zurückgebracht hat.«
    »Außerdem waren Sie gar nicht so lange von Muchings End fort«, sagte ich. »Nur einen Tag. Wenn Mr. C seine Aufwartung gemacht hätte, hätte das Mädchen ihn sicher gebeten, im Salon zu warten, bis alle zurück sind.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Verity blieb abrupt stehen. Ihre Röcke raschelten.
    »Das stellte ich mir so vor«, entgegnete ich überrascht. »Die Victorianer waren doch diejenigen mit den Salons, oder? Und ihre Besucher wurden von den Mädchen gebeten, dort zu warten.«
    »Wann kamen Sie hier an?« wollte sie wissen.
    »Heute morgen. Ich sagte es Ihnen doch schon. Haargenau ins Schwarze. Zehn Uhr, siebter Juni 1888.«
    »Heute ist der zehnte Juni«, sagte Verity.
    Der zehnte. »Aber die Zeitung…«
    »War wohl eine alte. Ich kam in der Nacht zum siebten an. Wir erreichten Oxford am achten Juni und sind bereits seit drei Tagen hier.«
    Verdutzt sagte ich: »Dann muß es einen…«
    »… erhöhten Schlupfverlust

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