Die Farben der Zeit
Sorte Mädchen. Nicht wie Miss Mering. Sie ist so süß und unschuldig.«
Und zickig, dachte ich. Und er hatte ihr eigentlich nicht begegnen sollen. Er hätte Maud treffen sollen. »Sie würden sie mögen«, hatte Professor Peddick gesagt, und ich bezweifelte das keine Sekunde lang, wenn ich an ihre dunklen Augen und ihr hübsches Gesicht dachte. Aber ich hatte verdächtig gewirkt, und Verity hatte ohne nachzudenken gehandelt, und nun planten Terence und Tossie, die sich normalerweise nie begegnet wären, ein Rendezvous, und wer konnte wissen, welche Komplikationen sich daraus ergaben?
»Wir treffen sie sowieso morgen früh«, sagte Terence und schnitt Fleischpastete in Scheiben. »Wenn wir Professor Peddick zurückbringen.«
Also würde er sie am Morgen treffen. Chaotische Systeme hatten eingebaute Überzähligkeiten, Interferenzen und Vorwärtsschleifen, so daß die Folgen mancher Ereignisse sich nicht ins Endlose multiplizierten, sondern sich gegenseitig aufhoben. »Bin ich dir an diesem Ort nicht begegnet, werden wir uns halt an jenem treffen.« Terence hatte Maud heute verpaßt, aber er würde ihr morgen begegnen. Es konnte sogar sein, daß wir, wenn wir den Professor heute noch zurückbrachten, zu spät eintrafen, so daß die beiden Frauen keine Besucher mehr empfingen und Terence Maud abermals verpaßte. Morgen früh jedoch würde sie ein hübsches Kleid tragen, und Terence würde ganz schnell Muchings End vergessen und Maud fragen, ob sie mit ihm im Stechkahn nach Port Meadow zum Picknick fahren wollte.
Falls er sie überhaupt hatte treffen sollen. Professor Peddicks Schwester hätte ebensogut den Gepäckträger für ein verdächtiges Subjekt halten oder plötzliche Zugluft verspüren und deshalb auch ohne mein Zutun noch vor Terences Eintreffen überstürzt in einem Einspänner davonfahren können. Und Terence, voller Eifer, das Boot zu mieten, wäre vielleicht auch ohne mein Zutun zur Follybrücke zurückgegangen, ohne Maud zu begegnen. T. J. hatte gesagt, daß das System selbstkorrigierende Fähigkeiten besäße.
Verity hatte recht. Prinzessin Arjumand war zurückgebracht worden, die Inkonsequenz, falls überhaupt je eine bestanden hatte, war damit aus der Welt geschafft, und ich sollte mich ausruhen und erholen, also Essen und Schlafen, in genau dieser Reihenfolge.
Terence breitete ein Tuch aus, auf das er Blechteller und Tassen stellte.
»Kann ich irgendwie helfen?« fragte ich. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Wann hatte ich zuletzt gegessen? Eine Tasse Tee und ein steinhartes Stück Kuchen beim Wohltätigkeitsbasar der Frauengemeinschaft zugunsten der Kriegskasse war das letzte, an das ich mich erinnern konnte, und das war mindestens zwei Tage und zweiundfünfzig Jahre her.
Terence beugte sich über den Picknickkorb und förderte einen Kohlkopf und eine große Zitrone zutage. »Du kannst die Decken ausbreiten. Zwei von uns können im Boot schlafen, der dritte an Land. Und wenn du das Silber und das Ginger Ale findest, stell es auf die Decke.«
Ich begab mich zu den Decken, um sie auszurollen. Die Insel befand sich offenbar im Besitz des Kirchenvorstehers von Iffley. Buchstäblich an jeden Baum waren Schilder genagelt, ebenso an eine ganze Anzahl Pfähle, die in die Uferböschung gerammt waren. »Kein Durchgang!«, »Privatgrundstück!«, »Auf Eindringliche wird geschossen!«, »Privates Gewässer!«, »Boote verboten!«, »Fischen nicht erlaubt!«, »Müll wegwerfen verboten!«, »Camping nicht gestattet!«, »Picknicken verboten!«, »Keine Anlegestelle!«.
Ich durchsuchte Terences Kartons und förderte eine ganze Reihe sonderbar aussehender Utensilien zu Tage, aus denen ich diejenigen auswählte, die mich am ehesten an Gabeln, Löffel und Messer erinnerten und neben die Teller placierte.
»Ich fürchte, das Essen fällt etwas dürftig aus«, bemerkte Terence. »Ich hatte vor, unterwegs noch mehr Proviant zu besorgen. Wir müssen uns eben so damit abfinden. Sag Professor Peddick, Abendessen wäre serviert, so gut es eben ging.«
Terences Vorstellung von dürftiger Mahlzeit bestand aus Schweinefleischpastete, Kalbfleisch, kaltem Roastbeef, einem Schinken, eingelegten Gürkchen, Eiern, roter Bete, Käse, Brot und Butter, Ginger Ale und einer Flasche Portwein. Es war sicher eine der besten Mahlzeiten, die ich je im Leben bekommen hatte.
Terence verfütterte den letzten Rest Roastbeef an Cyril, dann nahm er eine Dose in die Hand. »Mist!« sagte er. »Einfach ohne Büchsenöffner
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