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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Kreuzgangs, setzte die Milchflasche auf den Steinboden und öffnete die Reisetasche.
    Cyril hockte sich mit deutlichem Mißfallen neben mich.
    »Prinzessin Arjumand?« Ich hob die Katze aus der Tasche. »Frühstück gefällig?«
    Ich setzte sie auf den Boden, sie tat ein paar zögernde Schritte über das Gras, schoß dann plötzlich wie ein Pfeil um die nächste Mauerecke und war verschwunden.
    Cyrils Miene sprach Bände. Hab ich dir’s nicht gesagt?
    »Auf, steh nicht so herum!« sagte ich zu ihm. »Ihr nach!«
    Cyril rührte sich nicht.
    Ich konnte es ihm nicht verdenken. Unsere Jagd nach der Katze im nächtlichen Wald war nicht gerade ein rauschender Erfolg gewesen. »Na gut, was schlägst du statt dessen vor?«
    Er legte sich hin, die Schnauze an der Milchflasche. Das war keine schlechte Idee. Ich holte die Untertasse aus der Tasche und goß etwas Milch hinein. »Miez, miez«, rief ich und stellte die Tasse vor die Mauer. »Frühstück!«
    Die Idee war nicht schlecht, wie ich schon sagte, doch zeitigte sie keinen Erfolg. Ebensowenig wie die Suche in den Ruinen, auf dem Dorfplatz oder in den Gäßchen mit den Fachwerkhäusern.
    »Du weißt doch, wie Katzen sind«, sagte ich zu Cyril. »Warum hast du mich nicht gewarnt?«
    Aber es war mein Fehler gewesen. Ich hatte sie aus der Tasche herausgelassen, und höchstwahrscheinlich war sie inzwischen bereits unterwegs nach London, um Gladstone zu treffen und Mafekings Niederlage zu verursachen.
    Wir waren jetzt am Dorfrand angekommen, wo der Weg in abgemähten Kornfeldern endete, die von schmalen Wasserläufen durchzogen wurden.
    »Vielleicht ist sie zum Boot zurückgegangen«, sagte ich hoffnungsvoll zu Cyril, aber er hörte nicht zu. Er blickte zu einem morastigen Pfad, der zu einer Brücke hinführte, die sich über eines der Flüßchen spannte.
    Und dort bei der Brücke stand Professor Peddick, knietief im Wasser mit hochgekrempelten Hosenbeinen, in der Hand einen großen Käscher, hinter sich am Ufer einen Blechkessel mit Wasser und ohne Zweifel auch Fischen darin. Und neben ihm sah ich Prinzessin Arjumand.
    »Bleib hier«, sagte ich zu Cyril. »Und das meine ich ernst.« Ich kroch zu der hingekauerten Katze und wünschte, ich wäre so vorausschauend gewesen, einen Käscher zu kaufen.
    Prinzessin Arjumand schlich geduckt auf den Kessel zu, die weißen Pfoten lautlos auf das Gras setzend. Der Professor, genauso angespannt wie die Katze, beugte sich vor und senkte den Käscher langsam ins Wasser. Prinzessin Arjumand spähte in den Kessel und tauchte suchend die Pfote hinein.
    Ich sprang nach vorn, stülpte die offene Reisetasche über die Katze und schaufelte sie hinein, als wäre sie der Fisch, hinter dem sie her war. Professor Peddick schwenkte das Netz, in dem ein Fisch zappelte, auf und nieder.
    »Professor Peddick!« sagte ich. »Wir suchen Sie überall!«
    »Stichling«, sagte er, befreite den Fisch aus dem Käscher und warf ihn in den Kessel. »Exzellenter Platz für Forellen…«
    »Terence hat mich geschickt, Sie zu holen«, entgegnete ich und streckte die Hand aus, um ihm ans Ufer hochzuhelfen. »Er kann es kaum abwarten, nach Pangborne zu kommen.«
    »›Qui non vult fieri desidiosus amet‹«, sagte Professor Peddick. »Ovid. ›Wer keinen Müßiggang wünscht, möge sich verlieben.‹« Er kletterte jedoch hoch, hockte sich auf die Böschung und zog Strümpfe und Schuhe wieder an. »Jammerschade, daß er meine Nichte noch nie gesehen hat. Er würde sie mögen.«
    Ich schnappte den Blechkessel und den Käscher, auf dessen Griff »Andenken an die Themse« gedruckt war. Cyril saß immer noch an der Stelle, wo ich ihm befohlen hatte, zu warten. »Braver Bursche!« rief ich ihm zu, und er galoppierte herbei und donnerte gegen meine Knie. Wasser schwappte aus dem Kessel.
    Professor Peddick erhob sich. »Vorwärts! Der Tag ist schon halb vorbei.« Raschen Schrittes strebte er auf das Dorf zu.
    »Haben Sie das Telegramm abgeschickt?« fragte ich, als wir an der Post vorbeikamen.
    Er griff in seine Taschen und zog zwei gelbe Papierstreifen heraus. »Die Abtei ist von gewissem historischen Interesse«, sagte er und stopfte die Streifen wieder zurück. »Sie wurde von Cromwells Truppen zur Zeit des Protektorats [47] geplündert.« Er hielt am Tor inne. »Sie sollten sich einmal dieses Tor aus dem fünfzehnten Jahrhundert ansehen.«
    »Ich glaube, Professor Overforce hält das Protektorat für das Resultat von Naturgewalten«, sagte ich und schob den schwatzenden

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