Die Farben der Zeit
er von einem Tier gefressen worden«, sagte Terence, und ich konnte mir auch gut vorstellen, von welchem.
»Ich muß einen neuen fangen.« Professor Peddick holte Angel und Talje hervor.
»Dazu ist keine Zeit mehr«, sagte Terence. »Sie haben doch immer noch Ihre Albinobrasse.«
Ja, dachte ich, und Sie hielten sie besser unter Schloß und Riegel, oder ein Tier frißt auch sie, und wir kommen im Leben nicht mehr nach Muchings End.
»Wenn wir Runnymede morgen erreichen wollen, müssen wir jetzt los, Sir«, drängte Terence.
»Won semper temeritas es felix«, sagte der Professor und holte einen Fliegenköder aus der Schachtel. »Eile bringt nicht immer Glück. Denken Sie an Harold! Wäre er nicht so überhastet in die Schlacht geeilt, hätte er bei Hastings vielleicht gewonnen.« Sorgfältig befestigte er den Köder am Haken. »Frühmorgens ist nicht die beste Zeit für Döbel.« Er warf die Angel ein paar Mal versuchsweise aus. »Normalerweise Vachen sie erst am späten Nachmittag auf.«
Terence stöhnte und schaute mich flehentlich an.
»Wenn wir jetzt losrudern, können wir am späten Nachmittag in Pangborne sein«, sagte ich und faltete die Karte auseinander. »Hier steht, Pangborne sei weit und breit bekannt als guter Angelplatz. Ausgezeichnet für Barben«, las ich vor. »Hervorragendes Gewässer für Barsch, Plötzen und Gründlinge. Eine große Anzahl Weißfisch und Döbel. Das Wehr ist berühmt für seine großen Forellen.«
»Pangborne, sagen Sie?«
»Ja«, log ich. »Dort gibt es mehr Fische jeder Art als irgendwo anders in der Themse.«
Das wirkte. Er stieg ins Boot.
»Tausend Dank«, flüsterte Terence und stieß das Boot vom Ufer ab, bevor der Professor seine Meinung ändern konnte.
Ich schaute auf meine Taschenuhr. Zwanzig nach VIII. Später als ich gehofft hatte, aber wenn alles glatt ging, konnten wir trotzdem um fünf Uhr in Muchings End sein.
Es ging nicht glatt. Die Schleuse in Abingdon war geschlossen, und wir brauchten eine Viertelstunde, um den Schleusenwärter zu wecken, der es uns heimzahlte, indem er das Wasser nur tröpfchenweise aus der Schleusenkammer ließ. Dann bekam das Gepäck im Heck das Übergewicht, und wir mußten zweimal anhalten, um es richtig zu verstauen.
Beim zweiten Halt verkündete der Professor: »Sehen Sie diese Wasserlilien? Und die schnelle Strömung nahe dem Ufer? Ausgezeichnet für Barsche.« Ehe wir ihn aufhalten konnten, war er aus dem Boot geklettert.
»Wir haben keine Zeit«, sagte Terence hilflos.
»Pangborne«, erinnerte ich.
»Pah! Eine bessere Stelle als die hier kann es gar nicht geben.«
Terence zog seine Taschenuhr heraus und schaute verzweifelt darauf. Was bloß konnte den Professor zur Weiterfahrt bewegen? Die Schlacht von Hastings? Salamis? Runnymede?
»So habe ich mir Runnymede immer vorgestellt«, sagte ich mit einer weitläufigen Geste auf die Wiesen neben dem Ufer. »Der Nebel steigt aus den Feldern, während König Johann und seine Mannen sich zu Pferde nähern. Was glauben Sie, wo der tatsächliche Ort der Unterzeichnung war? Runnymede oder Magna Charta Island?«
»Runnymede«, sagte er. »Es steht außer Zweifel, daß der König die Nacht in Staines verbrachte und dann am Morgen zu dem Feld ritt.«
»Aha. Wahrscheinlich wird aber Professor Overforce äußerst überzeugende Einwände vorbringen, die für Magna Charta Island sprechen.«
»Für Magna Charta Island?« Professor Peddick war fassungslos.
»Äußerst überzeugende«, warf Terence ein »Paßt genau zu seiner Theorie, wonach die Geschichte das Ergebnis von Naturgewalten ist.«
»Mumpitz!« Professor Peddick schleuderte die Angel hin.
Terence schnappte sie und verstaute sie im Boot.
»Sehr überzeugende Einwände!« Professor Peddick schnaubte vor Wut. »Es gibt unwiderlegbare Beweise, daß die Unterzeichnung in Runnymede stattfand.« Er kletterte ins Boot. Ich löste das Seil. »Was sollen das für überzeugende Einwände sein? Es waren viel zu viele Lords und Barone dabei, die gar nicht alle auf die Insel gepaßt hätten. König Johann war außerdem viel zu mißtrauisch, als daß er sich in eine Situation begeben hätte, die ihm keinen Fluchtweg ließ. Naturgewalten!«
Er schimpfte, bis wir Abingdon erreichten.
Um viertel nach neun Uhr hatten wir die Schleuse passiert und waren beim Dorf angekommen.
Professor Peddick ging, sein Telegramm abzuschicken, und Terence begab sich auf den Weg, um Brot und gebratenes Fleisch zu kaufen, damit wir nicht unterwegs anhalten
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