Die Farben des Alls
Zeitpunkt, in dem ihm der Lhari-Arzt die Injektion gegeben hatte, und seinem Erwachen unter Drogeneinwirkung nur wenige Augenblicke verstrichen waren. In Wirklichkeit hatte er beinahe zwei Wochen unter Drogen verbracht – so lange, bis seine Operationsnarben verheilt waren.
Wie bereits von Raynor Drei angekündigt, hatten sich die Veränderungen nicht vollständig rückgängig machen lassen. In seinen Zügen waren immer noch Spuren einer sonderbaren Fremdheit zu entdecken, sein Gesicht wirkte auf seltsame Weise schlank. Und seine Hände würden immer ungewöhnlich lang, feingliedrig und beweglich bleiben. Ansonsten kam er sich älter vor, er fand seinen Gesichtsausdruck irgendwie härter und gereifter.
Die ersten beiden Wochen des Rückflugs auf der Swiftwing waren ein wahrer Alptraum von Enttäuschung und Langeweile, Ringg kam manchmal vorbei, um ihn aufzumuntern, aber er hatte doch das Gefühl, daß Ringg nicht so recht wußte, was er von ihm halten sollte. Das Band zwischen ihnen war zerrissen, nun, da er kein Lhari mehr war, andererseits aber auch kein hundertprozentiger Mensch. Vage kam ihm der Gedanke: Ich habe einen weiten Weg hinter mir, in mehr als einer Beziehung. Der Rückweg wird auch nicht kürzer sein.
Einmal sprach er Ringg an: »Ich habe gesehen, daß du deine Heuer verlängert hast. Hat sich deine Familie an den Gedanken gewöhnt?«
Ringg schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er, »aber ich habe mir folgendes gesagt: Ich bin älter als du, und wenn du in eigener Verantwortung so handeln konntest, wie du es getan hast, dann bin ich auch alt genug, um das gleiche zu tun, ohne meine Familie damit zu belasten. Es tut mir leid, wenn es ihnen nicht paßt – aber es ist mein Leben.«
Sie waren schon zwei Wochen im All und hatten bereits zwei Delta-Phasen hinter sich, als Vorongil eines Tages in seine Kabine kam.
»Heute nachmittag landen wir auf dem letzten Planeten der Ersten Galaxis, die wir anschließend verlassen werden«, erklärte der Captain. »Du hattest keine Gelegenheit, dir Lharis anzusehen, Bartol… jedenfalls hast du während deines dortigen Aufenthalts nichts zu Gesicht bekommen. Unser nächster Sprung wird uns in eure Galaxis zurücktragen. Du bist weit gereist, um dein Ziel zu erreichen. Möchtest du bei unserer nächsten Landung von Bord gehen?«
Bart fragte: »Glauben Sie, daß Sie mir vertrauen können?«
Er spürte selbst, daß diese bittere Bemerkung kindisch klang, als Vorongil in ernstem Ton erwiderte: »Du kennst die Koordinaten von Lharis nicht, und die Koordinaten unseres nächsten Landepunktes sind dir ebenfalls nicht bekannt. Du hast auch keine Möglichkeit, sie herauszufinden. Ich möchte dich weder überreden noch überzeugen, aber wenn es dir Freude machen würde, zusammen mit Ringg und Meta die Stadt zu besichtigen, so hast du meine Einwilligung.«
Hinter diesen fröhlichen Worten spürte Bart den Widerwillen, ihn zum Gefangenen zu machen, und den Wunsch, ihm einen Gefallen zu tun. Vielleicht verstand der alte Lhari sogar, daß er sich als Versager fühlte. Wenn er in seiner Kabine herumsaß und grübelte, war auch nichts gewonnen.
Er hatte so viel Zeit an Bord verbracht – zumindest schien es ihm so –, daß ihm die Luft ganz eigenartig vorkam, als er sich in die gleißende Helligkeit des Lhari-Raumhafens hinausbegab. Er trug Lhari-Kleidung, weil er keine andere besaß, und er nahm an, daß man ihn für einen Mentorianer hielt. Seine Mutter hatte sich sicher ebenfalls unter der fremden Sonne dieser Welt aufgehalten. Welche Farbe hatte das Gestirn? Zunächst hatte es sich seinen Augen als grellweiße Sonne präsentiert, doch nun schien es von roter Farbe zu sein – nein, eigentlich war es blau. So was Verrücktes! Ist es purpurrot? Irritiert von seiner Unfähigkeit, die Farbe einzuordnen, wandte er sich schließlich an Meta.
»Meta, welche Farbe hat diese Sonne? Ich bin das gesamte Spektrum durchgegangen, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden! Sie ist weder rot, noch blau, noch grün, orange oder violett, auch keine Mischfarbe, sondern – «
Er hielt inne. Mit einem Schlag dämmerte ihm, was er gesagt und gesehen hatte: »- es ist eine achte Farbe«, endete er. Es klang beinahe enttäuscht.
»Ihr mit eurem Gerede über Farben«, murrte Ringg. »Ich wüßte zu gern, wie ihr Mentorianer seht!« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Das wäre ja so, als könnte man einen Geruch sichtbar machen oder ein Geräusch, und so, als sei Licht
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