Die Farben des Chaos
noch einmal.
»Ich habe Euch zu danken, Ser Magier.«
Cerryl trat auf den Gehweg hinaus und wandte sich nach Westen zum Weißen Turm und den Hallen der Magier.
Dunkle Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Hoffentlich würde das Unwetter nicht zu schlimm. Da die Ernte gerade erst begonnen hatte, konnte ein schweres Unwetter dem Weizen schaden, was die Preise noch weiter in die Höhe treiben würde. Seit dem letzten Winter hatte es immer wieder Preiserhöhungen für Getreide gegeben, was das Brot verteuerte und zu seinem Leidwesen auch zu vielen kleinen Diebstählen führte, während die schweren Verbrechen in seinem Bezirk sogar nachzulassen schienen.
Leyladin wartete im Hof am Springbrunnen, wie sie es öfter tat, wenn sie Zeit für ihn hatte.
Cerryl musste lächeln und das Lächeln wurde noch strahlender, als sie es erwiderte. »Ich freue mich jedes Mal, wenn ich dich sehe.«
»Das ist gut. Gestern und vorgestern bist du nicht gekommen. Ich dachte schon, du wärst böse auf mich.«
»Nein. Wascot war krank und ich musste den ersten Teil seiner Spätschicht übernehmen. Es ist ziemlich spät geworden, bis ich endlich wieder hier war.« Er hielt inne. »Hast du mir etwas zu sagen? Was ist passiert?«
»Keine Sorge, es ist nicht so schlimm. Der Erzmagier hat mich gebeten, wieder nach Hydlen zu reisen. Der junge’ Fürst ist erneut erkrankt und Gorsuch vermutet, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht.«
Cerryl runzelte die Stirn. »Das klingt wie eine neue Wendung in einer alten Geschichte.«
»Das glaube ich auch.«
Sie sprachen es nicht offen aus. Der alte Fürst Berofar war gestorben, nachdem Leyladin sich um seinen Sohn Uulrac gekümmert hatte. Cerryl und Leyladin hatten vermutet, dass Gorsuch, der Abgeordnete der Gilde in Hydlen, möglicherweise die Hände im Spiel gehabt hatte. Aber jetzt bat Gorsuch Leyladin, noch einmal zu kommen.
Cerryl nickte. Natürlich brauchte ein minderjähriger Herrscher einen Regenten. Wenn der Knabe starb, würde einer seiner älteren Vettern zum Fürsten ernannt werden. Gorsuch würde dann höchstens noch ein Berater sein, wenn er überhaupt bleiben durfte, und Jeslek hätte es mit einem unabhängigen Fürsten zu tun, der wahrscheinlich nicht sehr gut auf Fairhaven zu sprechen wäre. »Ich glaube, Uulrac ist jetzt sechs Jahre alt?«
»So ungefähr.«
»Wann musst du aufbrechen?«
»Morgen früh.«
Auch das überraschte Cerryl nicht sehr. »Vielleicht solltest du gleich nach Hydolar umziehen. Dann könnte ich darum ersuchen, Gorsuchs Assistent zu werden.«
»Du musst hier bleiben.«
»Warum? Myrals Visionen?« Warum kommt sie nur immer wieder darauf zu sprechen? Ich bin doch kein Jeslek oder Kinowin.
»Unter anderem«, erwiderte sie unbestimmt. »Kannst du heute Abend möglichst früh zu mir und Vater zum Abendessen kommen?«
»Gem. Und ich würde mich noch mehr freuen, wenn du mich auch für morgen einladen könntest.«
»Am besten, du kommst gleich, nachdem du dich gewaschen hast. Dann können wir noch ein wenig reden.«
»Ich werde mich beeilen.« Cerryl nickte knapp.
»Bis gleich.« Sie drückte seine Hand.
Cerryl eilte in sein Zimmer, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und marschierte ins Bad. Das kalte Wasser tat gut, sogar beim Rasieren.
Dass sie ausgerechnet jetzt wieder fort musste, während die Zustände in Candar immer schlimmer wurden … Schon wieder nach Hydolar?
Er schüttelte den Kopf und zog ein sauberes weißes Hemd und eine rot abgesetzte, ärmellose weiße Weste an, dazu den roten Gürtel der Stadtwache. Einige Magier der Stadtwache trugen die roten Gürtel nicht, aber Cerryl hielt es für besser, seinen anzulegen.
Er lief rasch den Flur hinunter und nach draußen. Unterwegs grüßte er die paar Leute, denen er begegnete, mit einem knappen Nicken – Myredin, Bealtur und Disarj. Redark sah er von hinten, aber da sich der Obermagier nicht umdrehte, verzichtete er auf einen Gruß.
Auf dem schattigen Gehweg vor Leyladins Haus blieb er noch einen Augenblick stehen, um zu Atem zu kommen und sich abzukühlen, dann klopfte er energisch.
Soaris öffnete ihm und verneigte sich. »Guten Tag, Ser Cerryl.«
»Guten Tag, Soaris.« Cerryl ging durch den Flur in die mit Marmorfliesen ausgelegte Eingangshalle; die Kühle im Innern des Hauses war ihm mehr als willkommen.
»Ich bin hier, Cerryl.« Leyladin erwartete ihn auf dem Sofa vor dem Porträt ihrer Mutter.
Cerryl sah kurz zwischen Mutter und Tochter hin und her, ehe er sich neben die
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