Die Farben des Chaos
werden wir wohl noch öfter sehen.« Gyskas holte tief Luft. »Ich bin immer noch der Meinung, dass Jeslek mit diesen Bergen, die er da hat wachsen lassen, auch das Wetter verändert hat, und das schadet der Ernte und dem Gras auf den Weiden. Brot kostet inzwischen ein Kupferstück für zwei große Laibe. Und für ein Bier nehmen sie im Widder inzwischen schon vier Kupferstücke.«
»Ich sehe auch nicht mehr viele Marktkarren auf dem Markt«, fügte Cerryl hinzu.
»Die Händler wollen nicht über unsere Straßen fahren, wenn sie in Hydlen oder Spidlar den gleichen oder sogar einen höheren Preis erzielen können.«
»Würdet Ihr es denn tun?«, fragte der jüngere Magier.
»Wahrscheinlich nicht, aber so kann es nicht weitergehen.«
»Der Erzmagier wartet wohl, bis es auch die reichen Kommissionäre und die armen Händler einsehen.«
»Er hat schon viel zu lange gewartet.« Gyskas ging um den Schreibtisch herum und zog den Stuhl vor. »Wir sehen uns dann morgen.«
»Bis morgen.« Cerryl nickte und ging hinaus. Bald würden die Stadtwächter der zweiten Schicht zu ihren Streifengängen aufbrechen.
Draußen wehte wie immer im Spätsommer ein heißer, trockener Wind. Cerryl wandte sich nach Süden zum Weg der Gerber und sah sich mit Augen und Sinnen aufmerksam um, während er eine und dann noch eine Seitenstraße passierte.
»Guten Tag, Ser Cerryl«, rief eine Wäscherin, die ihren Korb auf die schmale Treppe eines Ladens gesetzt hatte. Es war Esads Kramladen – kein richtiger Schiffsausrüster, kein Kurzwarenladen und kein Eisenwarenladen, sondern ein bisschen von allem.
»Ich hoffe, Ihr hattet einen guten Tag«, rief er zurück. An den Namen der Frau erinnerte er sich nicht, aber er wusste noch, dass sie vor längerer Zeit einmal mit einem Anliegen im Bereitschaftsraum aufgetaucht war.
»Manche Tage sind gut und manche sind schlecht, aber Ikor schlägt mich jetzt nicht mehr. Die schlimmen Worte … na ja, die sollen mich nicht stören.« Sie lächelte und hob den Korb wieder hoch.
Cerryl nickte und ging weiter.
Als er den Weg der Gerber erreichte, wandte er sich nach Osten und ging noch einmal zwei Seitenstraßen weiter, bis er ein schmales Gebäude mit einem einzigen Fenster erreichte, über dessen Tür ein Holzstiefel hing. Durch die offen stehende Tür betrat er die Werkstatt.
Der schwarzhaarige Stiefelmacher, der an seiner Werkbank saß, schaute sofort auf. »Ser Cerryl, Eure Stiefel waren schon vorgestern fertig.«
»Ich weiß. Ich musste im Nordostviertel aushelfen.« Cerryl zuckte mit den Achseln. Isork ließ ihn nur die Zeit bis zum Abendessen übernehmen. Der Grund sei aber nicht Cerryls mangelnde Erfahrung, sondern der Wunsch, niemanden zu überarbeiten. So hatte Cerryl den ersten Teil und Klyat den zweiten Teil der Spätschicht übernommen, während Wascot sich von seinem Bauchfluss erholte, den er sich durch schlechtes Essen zugezogen hatte.
»Es heißt, es hat den letzten Achttag mehr Verstöße als sonst gegeben«, meinte der Stiefelmacher, während er sich schon zum Wandregal umdrehte, um die weißen Stiefel mit den dicken Sohlen zu holen. Er hob sie herunter und wandte sich wieder an Cerryl. »Ihr achtet wirklich darauf, dass es ruhig bleibt. Und Ihr seid gerechter als die meisten anderen.«
»Ich versuche es wenigstens, Miern.«
»Das macht dann ein Goldstück, wenn es recht ist.«
Cerryl holte ein Goldstück und ein halbes Silberstück aus der Börse. »Bitte.«
»Ihr müsst doch nicht.«
»Gute Stiefel sind es wert.« Cerryl wollte das Paar an sich nehmen.
»Dafür sollt Ihr aber … wenigstens …« Miern kramte unter dem Arbeitstisch und zog einen alten Kleidersack hervor. »Den brauche ich sowieso nicht mehr.« Der Stiefelmacher nahm rasch die Stiefel und steckte sie in den grauen Sack, den zahlreiche weiße Flicken zierten.
»Vielen Dank.«
»Heutzutage muss man freundlich zu denen sein, die noch zahlen«, erklärte Miern lächelnd.
»Ist es so schlimm? Jemand sagte mir, das Leder wird billiger«, erwiderte Cerryl.
»Rindsleder, ja«, bestätigte Miern. »Ich mache aber meine Stiefel, jedenfalls die festeren, aus Stierleder. Das billige Leder aus Hydlen nehme ich nicht. In diesem Punkt sind Beykr und ich einer Meinung.«
Der Magier musste grinsen. »Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr Euch überhaupt in irgendeinem Punkt einig seid.«
»Da gibt es wirklich nicht viel, wo wir uns einig sind, Ser Magier. Nein, da gibt’s nicht viel.«
»Danke, Miern«, sagte Cerryl
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