Die Farben des Chaos
unter zarten Augenbrauen tief in den Höhlen.
Leyladin schien wohlauf, aber Cerryl machte sich Gedanken über ihren Schutzbefohlenen und überlegte, was dessen Zustand für Fairhaven zu bedeuten hatte – und damit auch für Leyladin und ihn selbst.
Zögernd ließ er das Bild wieder los. Danach saß er noch lange am Schreibtisch und dachte nach.
XLVIII
C erryl betrachtete das Spähglas. Ihm war klar, dass er öfter üben sollte. Allerdings wollte er nicht zu häufig Leyladin beobachten, denn sie würde es wahrscheinlich spüren und wütend werden. Immerhin hatte sie auch seinen ersten Versuch gespürt, den er noch als sehr junger Mann unternommen hatte, und auch Cerryl bemerkte es, wenn jemand anders durchs Spähglas den Blick auf ihn richtete.
Er runzelte die Stirn. Wusste der junge Schmied jetzt, dass er beobachtet wurde? Er musste es bemerkt haben. Das warf aber gleich die nächste Frage auf. Jeslek hatte nachdrücklich erklärt, dass es drei Schwarze in Spidlar gebe. Cerryl hatte mit seinem Glas jedoch nur den Schmied finden können, was bedeutete, dass die anderen beiden bei weitem nicht über vergleichbare Kräfte wie der Schmied oder Leyladin verfügten. Weshalb machte Jeslek sich also solche Sorgen? Gab es denn bessere Kommandanten als die von Certis oder Fairhaven? Cerryl wusste es nicht zu entscheiden, und er hatte ohnehin genug eigene Sorgen, wie Leyladin und seine Pflichten bei der Stadtwache. Die letzten beiden Tage waren recht gut verlaufen, was wahrscheinlich daran lag, dass er sich wieder öfter draußen auf den Straßen gezeigt hatte. Aber wie lange konnte er das durchziehen? Er war so für die anderen Streifen schwieriger zu finden, und es war nicht gut, wenn er sich zu lange außerhalb des Wachgebäudes aufhielt. Aber seine Anwesenheit auf der Straße ließ die Zahl der kleineren Verstöße spürbar zurückgehen.
Er holte tief Luft und blickte zum Fenster, durch welches das Nachmittagslicht und eine warme Brise ins Zimmer drangen. Dann konzentrierte er sich wieder auf das Glas.
Im gleichen Augenblick klopfte es, und weil er sowieso nur üben wollte, versuchte Cerryl herauszufinden, wer draußen vor der weißen Eichentür stand. Als die Nebel sich teilten, erschien das Bild einer rot gekleideten Botin. Es war ein Mädchen mit rundem Gesicht, das Cerryl noch nicht kannte.
Er ließ das Bild los, stand auf, ging rasch zur Tür und öffnete sie. »Ja?«
»Magier Cerryl, Ser?«
»Der bin ich.«
»Der Obermagier Kinowin bittet Euch sofort zu sich. Ihr sollt Euch beeilen. Er will sich so bald wie möglich mit Euch in Myrals Quartier treffen.«
Cerryl schluckte, trat aus seinem Zimmer und schloss hinter sich die Tür. »Danke«, rief er noch über die Schulter zurück, als er fast im Laufschritt zur Treppe eilte.
Er wich Kiella aus, als er den Hof mit dem Springbrunnen erreichte, und wäre im Vorraum fast mit einem weiteren Anwärter zusammengestoßen. Als er sich der Treppe des Turms näherte, ging er langsamer. Es nützte ja nichts, wenn er zu Myrals Zimmer rannte und außer Atem ankam, so dass er außer herumstehen und keuchen nichts mehr tun konnte.
Als Kinowin ihm Myrals Tür öffnete, war er immer noch ein wenig außer Atem.
»Gut, dass Ihr Euch beeilt habt«, flüsterte der Obermagier. »Cerryl ist hier«, sagte er etwas lauter, als er die Tür schloss.
Myral lag im Bett, in ein so dickes weißes Gewand gekleidet, dass Cerryl sich zu Tode geschwitzt hätte. Doch der alte Magier hatte sich zusätzlich mit einer Decke zugedeckt und schauderte immer noch.
»Froh … dass Ihr gekommen seid.« Die Worte waren kaum zu verstehen.
Cerryl kniete sich neben dem Bett auf den Boden und berührte Myrals bleiche Stirn. Er blieb ruhig und gefasst und klammerte sich an den oberflächlichen Anschein von Ruhe, weil er nichts anderes hatte. Er bemühte sich, die Ordnung aufzubauen, wie er es sonst mit dem Chaos tat, und dieses flackernde schwarze Etwas zurückzudrängen, den Bauchfluss, der Myral heimsuchte.
»Hilft … ein wenig … für ein paar Augenblicke … weiß schon … aber zu viel Chaos im Körper. Nicht mehr viel Zeit …«, keuchte Myral. »Für einen Weißen Magier hatte ich ein gutes Leben.«
»Entspannt Euch einfach nur«, sagte Cerryl ruhig.
»Ich hoffte für Euch … nicht die Wahrheit gesagt …« Wieder hustete und keuchte der alte Mann. »Niemand … keiner seit Cyador … kann das Licht des Chaos so bündeln wie Ihr … wollte es Euch … nicht sagen.«
»Ich weiß …
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