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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Myrals Tod dich so aus der Fassung gebracht? Kopfschüttelnd wandte er sich auf dem Weg der Steinmetzen nach Westen. Er wollte nicht zu früh in die Hallen zurückkehren. Weil es das erste Mal ist, dass jemand stirbt, der an dich geglaubt hat? Er dachte darüber nach. Seinen Onkel und seine Tante hatte er geliebt, aber sie waren Meilen über Meilen entfernt bei einem Brand gestorben und er hatte es erst eine halbe Jahreszeit später erfahren. Die Leichen hatte er nie gesehen, und er wusste nicht einmal, wo sie begraben waren. Dylert, der Besitzer der Sägemühle, war vor etwa zwei Jahren gestorben. Cerryl hatte ihn zwar geachtet, aber nicht geliebt. Er hatte schon genug Tote gesehen, er hatte selbst Menschen getötet. Du denkst, der Tod trifft immer nur die anderen … aber so ist es nicht, oder?
    Aus einer Seitenstraße kam eine braun gekleidete Gestalt geschossen, gefolgt von einem blau gekleideten Mann, der den Jungen praktisch direkt vor Cerryl zu fassen bekam.
    »Nein!« Der Junge sah Cerryls weißes Gewand und den roten Gürtel und wurde kreidebleich.
    »Ser Magier, der Bursche hier … er hat einen halben Korb Kartoffeln direkt vor meiner Küchentür gestohlen.« Der grauhaarige Mann sah den Burschen böse an und wandte sich an Cerryl, ohne den schmutzigen braunhaarigen Jungen – höchstens zehn Jahre alt, dachte Cerryl – auch nur eine Sekunde loszulassen.
    Der Magier der Stadtwache unterdrückte ein Seufzen und nahm den zitternden, aber trotzigen Jungen in Augenschein.
    »Es ist mir ganz egal. Wir sind Euch Magiern doch vollkommen gleichgültig. Meine Schwester schwindet dahin und meine Mutter putzt den ganzen Tag und bekommt doch nicht genug Brot für uns.«
    »Das sagen sie alle«, knurrte der Mann.
    Cerryl konnte spüren, dass der Junge Angst hatte, aber die Wahrheit sagte. Was sollte er tun? Wenn er ihn festnahm, würde er mit Sicherheit zum Straßenbau geschickt werden. Eine Verwarnung?
    Fast ohne nachzudenken konzentrierte Cerryl sich, bündelte das Chaos zu einem engen Ring und bewegte ihn zu dem Jungen, der die Augen aufriss und sich zu wehren begann.
    »Halte still, sonst wirst du blind«, fauchte Cerryl.
    Der Junge schluckte, hörte aber auf, sich zu winden.
    Es zischte leicht, als das Chaos die Stirn des Jungen berührte.
    »Nein!« Er wurde ohnmächtig.
    Der Mann wurde kreidebleich, als er die runde Brandwunde auf der Stirn des Jungen sah.
    »Habt Ihr die Kartoffeln zurückbekommen?«, fragte Cerryl müde.
    »Äh, ja, Ser.«
    »Ich kümmere mich um den Störenfried.« Cerryl bückte sich und hob die magere Gestalt hoch.
    »Äh, ja, Ser.«
    Das Gesicht des Mannes veränderte sich nicht, aber Cerryl konnte die Furcht und das Entsetzen spüren, als der Mann sich eilig zurückzog.
    Was hast du getan? Du kannst ihn nicht laufen lassen, weil sonst alle Leute daherkommen und eine kleine Brandwunde im Austausch für Nahrung bereitwillig in Kauf nehmen. Was hast du dir nur dabei gedacht?
    Er ging mit seiner Last bis zur nächsten Ecke weiter. Und was jetzt? Seufzend wandte Cerryl sich nach Norden in Richtung der Wachstube. Das Gewicht des Jungen machte ihm bereits zu schaffen.
    Der Junge regte sich und stöhnte.
    Auch nachdem er vier Straßen weit gelaufen war, brannten Cerryls Augen noch, und der Klumpen im Magen war nicht kleiner geworden, als er sich dem Wachgebäude näherte.
    Gyskas trat aus der Wachstube heraus. »Was habt Ihr denn da?«
    »Einen Störenfried. Das Kind wollte Kartoffeln stehlen, weil seine Angehörigen verhungern.«
    »Ihr habt ihn wahrgelesen.«
    »Ja, und das macht die Sache nicht leichter.«
    »Die Verbrennung dort ist Chaos-Feuer.«
    »Ja«, gab Cerryl zu. »Das war keine sehr gute Idee. Ich dachte zuerst daran, ihn mit der Verbrennung als Mal laufen zu lassen. Aber jetzt … ich weiß nicht.«
    »Wir müssen ihn ins südliche Gefängnis schicken.«
    »Das gefällt mir nicht.«
    »Wir haben keine Wahl«, wandte der ältere Magier ein.
    »Wohl nicht.« Cerryl holte tief Luft.
    »Ich kann das Weitere erledigen«, schlug Gyskas vor.
    »Ja, macht das. Ich denke nicht sehr klar.« Und ob!
    »Es ist …« Gyskas ließ den Satz unvollendet.
    »Ich weiß. Es ist nicht unsere Aufgabe zu denken. Vielen Dank. Bis morgen dann.« Hoffentlich.
    Cerryl verließ langsam das Gebäude und wandte sich wieder nach Westen zur Hauptstraße und zur Halle der Magier. Immer noch hatte er einen Klumpen im Bauch, immer noch fühlte sein Herz sich an, als sei es rundherum von Blei eingefasst. Jeder

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