Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
Vom Netzwerk:
einmal halb voll, bis zu der Höhe, die Westcort vorgegeben hatte.
    »Myral ist alt, aber mehr als einmal haben seine Visionen sich als richtig erwiesen«, fuhr Anya nachdenklich fort. »Manche könnten wahr, aber nicht wirklich wichtig sein.«
    Cerryl runzelte die Stirn, schnitt sich vom Kotelett ab und schaufelte etwas Birnapfelsoße aufs Fleisch, ehe er sich das Stück in den Mund schob.
    »Nein, manche Visionen spielen keine Rolle«, fuhr Anya fort, nachdem sie einen weiteren Schluck Wein getrunken hatte, »weil sie erst wahr werden, wenn wir schon zu Staub zerfallen sind. Spielt es eine Rolle, dass Fairhaven unter einer neuen Sonne schmelzen wird oder dass wahnsinnige Weiße Chaos-Bändiger über ganz Candar streifen werden? Oder dass Recluce von einem seiner eigenen Leute in Stücke gerissen werden wird?«
    »Vielleicht spielt es eine Rolle. Vielleicht können wir, wenn wir es wissen, verhindern, was sonst sicher eintreten müsste.«
    »Vielleicht.« Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die vollkommenen Lippen. Im Schein der Lampen schienen ihre grauen Augen zu flackern und einen Moment lang hellblau zu leuchten. »Aber vielleicht auch wieder nicht. Vielleicht lassen wir seine Visionen gerade dadurch eintreten, dass wir ihre Verwirklichung zu verhindern suchen.«
    Cerryl schauderte beinahe bei diesem Gedanken. Wie konnte man da überhaupt noch wissen, was richtig und was falsch war?
    »Das beunruhigt Euch, nicht wahr?« Anya lächelte. »Ihr solltet lieber das Leben genießen, statt Euch zu bemühen, eine erwünschte Zukunft herbeizuzwingen, die gerade durch Euer Eingreifen einen unerwünschten Verlauf nehmen könnte.«
    Cerryl nahm das Weinglas und zwang sich, betont langsam zu trinken. »Der Wein ist gut.«
    »Ja, er ist gut. Es gibt noch bessere Sorten, aber guter Wein und ein gutes Leben, das man jetzt leben kann, ist viel angenehmer als das Streben nach fernen guten Dingen, die doch gerade dadurch verhindert werden könnten, dass man sie zu erlangen sucht.«
    Cerryl hatte beinahe das Gefühl, sein Kopf drehte sich. Sie will dich verwirren … und es gelingt ihr, bei der von Dämonen verdammten Dunkelheit’. Schließlich sagte er: »Glaubt Ihr, Myral hat Recht damit, dass sich die Zeiten ändern?«
    Sie lachte leise und kehlig. »Cerryl, die Zeiten ändern sich ständig. Wie könnte Myral in diesem Punkt Unrecht haben?«
    »Ich weiß, aber manchmal sind die Veränderungen nur geringfügig, doch dann auf einmal …«
    »Dann auf einmal verändert sich auf einen Schlag die ganze Welt?« Sie aß ein paar Gabeln Reis, bevor sie weitersprach. »Jeslek hat Berge wachsen lassen, wie Ihr wisst. Ihr wart bei ihm, als er damit begonnen hat. So etwas hat bisher noch kein Magier vollbracht. Also haben sich die Zeiten geändert.« Sie hob die Schultern, ließ sie theatralisch wieder sinken. »Manche Dinge verändern sich nie. Männer streben immer nach Geld und Macht und wollen schöne Frauen um sich haben. Frauen wollen, was sie eben wollen.« Sie heftete den Blick auf Cerryl. »Was erwartet ihr vom Leben, da Ihr jetzt Voll-Magier seid?«
    Cerryl musste eine Weile überlegen, ehe er antworten konnte. »Ich weiß nicht, was ich will.«
    »Ihr solltet es lieber schnell herausfinden, ehe es jemand anders für Euch entscheidet.«
    »Es ist schwer, sich zu entscheiden, wenn man wenig über die verschiedenen Möglichkeiten weiß«, wandte er ein.
    »Nun ja«, begann sie unbefangen, »Ihr könntet Myral und Kinowin bitten, Euch dabei zu helfen, ein Handelsaufseher zu werden. Wahrscheinlich würdet Ihr nach Quend abgeordnet werden, wo Ihr das halbe Jahr friert und Euch damit beschäftigen könnt, mit dem Spähglas Fischkutter zu überprüfen. Oder Ihr könntet Eliasar bitten, Euch für die Waffenausbildung einzuteilen …«
    »Um mir bei nächster Gelegenheit selbst den Fuß abzusäbeln?«, unterbrach Cerryl sie lachend.
    »Oder Ihr könntet Jeslek helfen, die Berge und das Chaos wachsen zu lassen, und vor der Zeit zum Greis werden. Oder Ihr könnt die nächsten zehn Jahre damit verbringen, alte Frauen vor den Stadttoren einzuäschern …«
    »Wie Ihr es darstellt, klingen all diese Möglichkeiten nicht gerade viel versprechend.«
    »So ist es. Jeder Weg bringt seine ganz eigene Plackerei mit sich. Das ist das Problem, wenn man die Erfüllung darin sucht, seine Fähigkeiten in den Dienst der Gilde zu stellen und den Anforderungen gerecht zu werden.« Anya leerte ihr Weinglas.
    Cerryl schenkte ihr nach. Dann bediente er

Weitere Kostenlose Bücher