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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Worte, aber Ihr versteht sie nicht. Nicht wirklich.«
    Cerryl wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
    »Hat Eure Freundin, die Heilerin, Euch schon gesagt, was sie außer dem Heilen sonst noch tut?«
    »Nein. Sie ist noch in Certis.«
    »Das weiß ich. Ich meinte vorher.« Kinowin veränderte seine Position ein wenig, bis er aus dem Fenster sehen und gleichzeitig Cerryl beobachten konnte.
    »Verschiedene Dinge … Wasserkanäle inspizieren, Schlafzauber bei Gefangenen einsetzen …« Cerryl runzelte die Stirn. »Sonst fällt mir nichts ein.«
    Kinowin drehte sich wieder ganz zu Cerryl herum. »Könnt Ihr wahrlesen?«
    »Wahrlesen?«
    »Wahrlesen ist nicht der richtige Ausdruck, aber so nennen es alle. Könnt Ihr erkennen, wenn jemand etwas sagt, das er für die Wahrheit hält, oder wenn seine Worte nicht zu den Strömen von Chaos und Ordnung in ihm passen?«
    Sollte er es Kinowin verraten? Cerryl zuckte mit den Achseln. Wenn Kinowin spüren konnte, was in Cerryl vorging, dann wusste der Obermagier sowieso schon Bescheid. »Meistens ja.«
    »Das wird reichen. Eure Fähigkeiten sind am Tor verschwendet. Ihr müsst mehr darüber lernen, wie Fairhaven wirklich funktioniert. Myral und ich haben bereits darüber gesprochen.«
    Cerryls Magen krampfte sich zusammen.
    »Was wisst Ihr über die Stadtwache?«
    »Nicht sehr viel. Sie sorgt dafür, dass die Leute friedlich bleiben und liefert die Gefangenen für die Aufräumarbeiten am Tor.«
    »Ihr müsst bei der Stadtwache arbeiten. Ihr habt die richtigen Fähigkeiten dafür und Isork könnte einen weiteren Magier gebrauchen. Er und Huroan haben nur neun Magier, das reicht bei weitem nicht aus.«
    »Was … was soll ich tun?«
    »Morgen wird Euer letzter Tag am Tor sein. Am folgenden Morgen meldet Ihr Euch bei Isork. Die Hauptwache ist das zweistöckige, gedrungene Gebäude gegenüber vom Goldenen Widder. Isork wird Euch erwarten.«
    »Ja, Ser.«
    Kinowin schüttelte den Kopf und deutete zur Tür. »Ihr könnt jetzt gehen. Ich würde aber niemandem etwas über unser Gespräch erzählen. Sterol weiß, was ich denke, und stimmt teilweise mit mir überein. Jeslek und Anya werden es gegen Euch verwenden, wenn sie glauben, der richtige Zeitpunkt sei gekommen. Mir können sie nichts anhaben.«
    Cerryl verstand, was Kinowin nicht gesagt hatte, dass keiner der jüngeren Magier es verstehen würde. Er war nicht einmal sicher, ob er es selbst verstanden hatte.
    Als er langsam die Treppe zur Eingangshalle hinunterging, holte er tief Luft. Aus Kinowin wurde er einfach nicht schlau. Anya – es war klar, dass sie als eine der wenigen Frauen in der Gilde nach Macht strebte. Aber warum machte Kinowin sich seinetwegen solche Gedanken? Jedes Jahr wurden zwischen fünf und zehn neue Magier in die Gilde aufgenommen. Macht er sich Gedanken, weil du ihn an seine eigene Jugend erinnerst? Oder weil auch er als junger Mann viele Fragen hatte, auf die er keine Antwort wusste? Fragen ohne Antworten? Und warum hat er nicht die Frage beantwortet, was man tun sollte, wenn man in einer Vision etwas kommen sieht? Weil es keine Antwort darauf gibt?
    Cerryl schürzte die Lippen und ging weiter.

 
XXVI
     
    I m schräg einfallenden Morgenlicht trat Cerryl durch die weiße Eichentür ins Gebäude der Stadtwache. Zwei Wächter standen links und rechts in der Eingangshalle. Sie trugen die gleichen Uniformen wie die Lanzenreiter, zusätzlich aber einen breiten roten Gürtel und neben dem Kurzschwert einen Knüppel.
    »Ser?«, fragte der Wächter auf der rechten Seite. Er hatte einen kurzen, weiß durchsetzten Bart.
    »Ich soll bei Isork, dem Kommandanten der Stadtwache, vorsprechen.«
    »Wen darf ich ihm anmelden, Ser?«
    »Ich bin Cerryl. Obermagier Kinowin schickt mich.«
    »Einen Augenblick.« Der Wächter nickte. »Ich sage Kommandant Isork sofort Bescheid.« Er drehte sich um, ging einen kurzen Flur entlang und klopfte an eine Tür, um gleich darauf das Zimmer zu betreten.
    Cerryl sah sich in der Eingangshalle um. Es war ein rechteckiger, kahler Raum, höchstens zehn Ellen breit. Zwei Flure zweigten von ihm ab. An einer Seitenwand standen zwei einfache Eichenbänke ohne Lehnen. Dem Eingang gegenüber war eine verschlossene Doppeltür in die Wand eingelassen. Der Boden bestand aus glattem, blank poliertem Granit, der zu einem stumpfen Grau verblasst war. Das einzige Licht kam von den Fenstern rechts und links neben der Tür.
    Der Wächter kam wieder aus der Tür am Ende des kurzen Flurs. »Hier entlang,

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