Die Farben des Chaos
gewesen war, als Cerryl sich ihm vorgestellt hatte. Langsam nahm er den Federkiel und tauchte ihn in die Tine. Er hatte beschlossen, vorläufig eine Art Tagebuch zu führen und sich schon während seines Dienstes Notizen zu machen, um am Ende seiner Schicht alles zusammenzutragen, was ihm berichtenswert erschien.
Er sah durch, was er bis zu dem Zwischenfall mit Gerlaco schon notiert hatte.
… Kealf festgenommen, dem vorgeworfen wurde, er hätte Äpfel gestohlen. Kealf sagte wahrheitsgemäß aus, Vilo habe das Kupferstück nicht nehmen wollen, weil er aus Sturba stamme. Vilo war einverstanden, das Kupferstück anzunehmen und an die Stadtwache ein Kupferstück Entschädigung zu zahlen.
… ein gewisser Azorf hat drei Laibe Brot gestohlen. Wurde von Nuryls Streife erwischt. Ins Gefängnis geschickt, damit er dem Straßenbau zugeteilt wird.
… ein Vagabund, der seinen Namen nicht nennen wollte, hat Searlica, der Frau des Küfers Huntyl, die Börse gestohlen. Huntyl hat ihn mit einer Fassdaube niedergeschlagen und die Stadtwache gerufen (Anführer der Streife: Sheffl). Den Vagabunden wahrgelesen, er hat den Diebstahl begangen. Ins Gefängnis gesteckt, damit er dem Straßenbau zugeteilt wird …
Cerryl hob den Kopf, überlegte kurz und schrieb weiter. Hoffentlich musste er nicht zu oft niederschreiben, dass er einen Störenfried in Asche verwandelt hatte.
XXXI
C erryl nahm sich eine große Portion Lammfleisch mit Soße von der Anrichte im Speisesaal und füllte einen Krug mit hellem Bier. An den meisten Tischen saßen Anwärter, Neuzugänge, die er nicht kannte. Zwei Rotschöpfe konnte er ausmachen – Kiella und Kochar. Nur am großen runden Tisch in der Nähe des Eingangs fand er ein paar vertraute Gesichter: Faltar, Lyasa und Heralt. Sie waren mit Essen fast fertig. Lyasa winkte Cerryl und er ging in ihre Richtung. Er setzte sich und bemerkte grinsend die Krümel auf Faltars Teller. »Hast du dir etwas Lamm zum Brot genommen?«
»Ich war zu müde, um noch auszugehen, obwohl es schon wieder Lamm mit Soße gibt.« Faltar erwiderte das Grinsen. »Ich bin leider kein gut bezahlter Magier der Stadtwache. Ich muss mein Geld zusammenhalten.«
»Irgendjemand hat mir doch erzählt, selbst ein junger Magier könne es sich leisten, jeden Abend auszugehen«, erwiderte Cerryl.
»Da hat er sich eben geirrt.«
Heralt und Lyasa lachten, als sie Faltars bekümmertes Gesicht sahen.
»Wie ist denn der Dienst in der Stadtwache im Vergleich zum Tor?« Heralt – der junge Magier aus Kyphrien mit dem Lockenkopf – trank einen Schluck Bier.
»Schwerer, viel schwerer«, murmelte Cerryl zwischen zwei Bissen Lamm.
»Du hast am frühen Nachmittag frei. Warst du bei dieser Händlerin?«, wollte Faltar wissen. »Bei deiner Freundin?«
»Nein … ich bin im Südostviertel herumgelaufen. Ich muss die Gegend kennen lernen.«
»Ganz allein?«
»Da ich Magier der Stadtwache bin, würde es keinen guten Eindruck machen, wenn ich außerhalb der Dienstzeit Begleitschutz in Anspruch nähme«, antwortete Cerryl trocken. »Aber ich habe um dunkle Gassen und die Schenken einen weiten Bogen gemacht.«
»Er benimmt sich immer noch wie ein Lehrling, der vieles nicht verstanden hat«, sagte Faltar zu Lyasa.
»Und er verdient mehr als früher«, erwiderte sie. »Vielleicht besteht zwischen den beiden Punkten ein Zusammenhang.«
»Auf keinen Fall«, erklärte Faltar. »Ich kann es mir nicht vorstellen, den ganzen Tag in der Stadt herumzulaufen. Mir tun schon nach dem Wachdienst am Tor die Füße weh.«
»Vom Kopf ganz zu schweigen«, stimmte Heralt zu.
»Da wir gerade von Kopfschmerzen sprechen«, wandte Lyasa sich an Cerryl. »Hast du etwas von Jeslek gehört?«
»Abgesehen davon, dass er mitten in Gallos Berge wachsen lässt?«
»Nein. Er soll Erzmagier werden. Wir haben es gerade erfahren.«
Cerryl hätte sich beinahe verschluckt. Er legte die Hand vor den Mund und unterdrückte einen Hustenanfall.
»Das ist aber mal eine heftige Reaktion«, grinste Faltar. »Es kommt nur selten vor, dass man Cerryl so überrascht sieht.«
Cerryl hatte sich wieder gefangen, räusperte sich und spülte mit einem kleinen Schluck Bier nach. »Ich bin nicht überrascht, dass er Erzmagier werden soll. Ich dachte mir immer schon, dass er es eines Tages werden würde. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass es schon so bald sein würde.«
»Er ist in Sterols Gemächer marschiert und mit dem Amulett wieder herausgekommen«, berichtete
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