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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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es nicht! Bitte … tötet ihn nicht … er hat zu viel getrunken … bitte …«
    Ohne sich besonders anzustrengen, konnte Cerryl spüren, dass sie die Wahrheit sagte, so wie sie sie sah.
    »Mich töten … dieser Junge da? Ha!« Der große Mann stürmte auf Cerryl los und kam einem Stadtwächter nahe genug, um die gefesselten Arme heben und den Mann mit dem Ellenbogen hart stoßen zu können.
    Der Wachmann ging wie ein Stein zu Boden und hielt seinen Arm umklammert, der verrenkt oder gebrochen war.
    Cerryls Gesicht blieb unbewegt. Natürlich half es nicht, dass er eher klein von Statur war, aber jetzt, nach diesem Zwischenfall, hatte er keine Wahl mehr.
    »Tretet zurück.« Cerryls Stimme war nicht einmal besonders laut.
    »Nein …«
    Die Stadtwächter zogen sich abrupt zurück und stießen den Riesen in die Mitte des Raumes.
    Cerryl konzentrierte sich und versuchte, das Chaos so eng wie möglich zu bündeln und eine Lichtlanze zu formen, ohne wirklich durchblicken zu lassen, was er tat. Er wollte sein Geheimnis noch nicht preisgeben.
    Ein Zischen ertönte, und dort, wo der große Mann gestanden hatte, war nur noch Rauch zu sehen.
    »Nein!« Die Frau lag schluchzend am Boden.
    »Es tut mir Leid«, sagte Cerryl leise, aber mit fester Stimme. »Niemand darf einen Stadtwächter angreifen. Niemand. Es spielt keine Rolle, ob der Betreffende aus Delapra oder Recluce oder Hamor kommt.« Irgendwie schaffte er es, ruhig und mit fester Stimme zu sprechen, obwohl er innerlich schauderte. Er war doch erst ein paar Tage im Dienst, und es hätte vielleicht nicht geschehen müssen, wenn er nicht so schlank und zierlich wäre.
    »Fystl … wir unterhalten uns im Büro.« Cerryl drehte sich um und verließ den Raum, der als Treffpunkt und Gerichtssaal diente. Die Stadtwächter und die Frau blieben zurück.
    »… einfach so … warte, bis ich das Reyll erzählt habe …«
    »… sag den Jungs in der Gerberei Bescheid …«
    »… möchte ihn mal draußen auf der Straße sehen …«
    Ohne weiter auf die Bemerkungen zu achten, ging er durch den Flur in die Wachstube zurück. Er ließ sich auf den gepolsterten Stuhl sinken, der einzige weiche Platz im ganzen Gebäude, und nicht einmal dieses Polster war sonderlich bequem. Er wartete, bis Fystl die Tür geschlossen hatte, und deutete auf einen Hocker.
    Fystl setzte sich und sah sich nervös um, ohne Cerryls Blick zu erwidern.
    »Mit wie vielen solchen Zwischenfällen muss ich rechnen, bis sich herumgesprochen hat, dass ich nicht anders bin als alle anderen Magier der Stadtwache?«, fragte Cerryl müde.
    »Oh … ich weiß nicht, Ser. Ihr habt schnell reagiert … viele werden es nicht sein.« Fystl schüttelte den Kopf. »Ser, war das eine Feuerkugel?«
    »Ja«, log Cerryl. »Allerdings eine sehr genau kontrollierte. Ich wollte vermeiden, dass noch andere verletzt wurden«, fügte er, etwas näher an der Wahrheit, hinzu.
    »Die meisten räumen vorher das Gebäude.« Jetzt endlich erwiderte Fystl den Blick des Magiers. »Seid Ihr immer so gut, Ser?«
    »Jedenfalls bei Zielen, die näher als fünfzig Ellen sind.«
    Der Anführer der Streife lächelte leicht, dann verschwand das Lächeln wieder. »Was ist mit der Frau?«
    »Er hat angefangen, sie ist schon genug gestraft. Lasst sie frei.«
    Fystl nickte. »Wäre das dann alles, Ser?«
    »Das ist alles.«
    »Mit Eurer Erlaubnis, Ser?«
    Cerryl stand auf. »Lasst es mich wissen, wenn sich daraus noch weitere Probleme ergeben.«
    »Es wird keine geben, Ser. Garantiert nicht.« Fystl deutete eine Verbeugung an, drehte sich um und ging hinaus.
    Cerryl hoffte sehr, dass es keine Schwierigkeiten mehr geben würde, aber Hoffnungen entsprachen nur selten der Wirklichkeit. Er hatte das schon oft genug erlebt, besonders bei Onkel Syodor und Tante Nall.
    Cerryl blickte auf den kleinen Stapel Papiere, den er beiseite gelegt hatte, um das Buch Über den Stadtfrieden zu lesen. Er nahm sie wieder zur Hand und blätterte sie durch. Erst jetzt wurde ihm klar, dass es auch zu den Aufgaben eines Bezirks-Magiers gehörte, sich mit dem Schreiben von Berichten zu langweilen. Isork hatte diese Berichte zwar erwähnt, aber zwischen dem Hören und dem Tun lagen Welten. Cerryl musste es notieren, wenn die Stadtwache jemanden festnahm, wenn er jemanden mit Chaos-Energie in Asche verwandelte und wenn sonst etwas geschah, das Isork oder der Rat erfahren sollten.
    Viel zu spät begriff Cerryl, was es mit den Dokumenten auf sich hatte, mit denen Isork beschäftigt

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