Die Farben des Chaos
Gedanken wegen des herrenlosen Karrens, nach dem ich dich schon gefragt habe.«
»Ich habe mit Vater gesprochen. Er weiß nichts von einem vermissten Karren. Bei den Leuten, mit denen er geschäftlich zu tun hat, war nichts zu erfahren.«
Cerryl zuckte mit den Achseln. »Irgendwie ist mir nicht klar, warum Fydel sich überhaupt die Mühe macht, mit mir zu reden.«
»Was Fydel angeht, bin ich nicht sicher. Bei Anya habe ich eine Ahnung. Muneat ist ihr Onkel.«
Cerryl schluckte. »Ich habe sie gefragt, woher sie stammt, aber sie hat mir nicht wirklich geantwortet.«
»Ihr Vater und alle ihre Brüder sind vor ein paar Jahren am Bauchfluss gestorben. Sie hat noch eine jüngere Schwester, die mit Jiolts ältestem Sohn verheiratet ist. Er heißt Uleas oder so ähnlich.«
»Wer ist Jiolt? Ich weiß nur, dass er ein reicher Kommissionär ist.« Cerryl nahm Leyladins Arm und wich einer Pfütze aus, als sie am dunklen Markt nach Westen abbogen. Während er ihre Wärme so nah bei sich spürte, wünschte er nicht zum ersten Mal, er könne sie festhalten und müsse sich nicht mit den paar kurzen Umarmungen begnügen, die sie ihm erlaubte.
Leyladin räusperte sich. »Jiolt … eigentlich redet Vater nicht sehr oft über ihn. Er ist einer der Präsidenten der Getreidebörse, aber genau wie mein Vater handelt er auch mit vielen anderen Dingen, je nachdem, was ihm gewinnträchtig erscheint – Wolle, Leinen, Zinn, aber kein Kupfer … Öle, aber nur die seltenen … und so weiter. Muneat hält es ähnlich. Jiolt hat drei Söhne, Muneats einziger Erbe ist Devo, der aber nicht sehr helle ist.«
»Warum kommen eigentlich alle Magierinnen aus Händlerfamilien?«
»Auf Lyasa trifft das nicht zu.«
»Ich war mir nicht sicher. Sie hat nie mit mir darüber gesprochen.«
»Mit mir auch nicht, aber ich kenne alle Kaufleute. Wenn sie aus einer Händlerfamilie kommt, dann jedenfalls nicht aus Fairhaven, Lydiar oder Vergren.«
Cerryl nickte.
»Sie kommt allerdings auch nicht aus einem armen Elternhaus. Sie hat gute Manieren und ist behütet aufgewachsen.« Leyladin lachte leise, beinahe bitter. »Nur die begabten Töchter aus reichen Häusern überleben.« Sie warf einen Blick zu den Lampen, die über dem Eingang ihres Hauses hingen, weniger als fünfzig Ellen vor ihnen.
»Und es überleben auch nicht viele begabte Jungen ohne Geld«, erwiderte Cerryl leise. Er musste an seinen Vater denken.
»Es tut mir Leid, Cerryl. So habe ich es nicht gemeint.«
»Ich weiß.«
An der Tür schloss sie ihn in die Arme. »Geh nach Hause und ruh dich bitte aus.«
»Das werde ich.« Er erwiderte die Umarmung und genoss einen Augenblick lang ihre Wärme und sogar die Ordnung, die sie durchflutete.
Sie küsste ihn auf den Mund, liebevoll, aber kurz, und zog sich sofort wieder zurück. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Irgendwie schien der Abend noch feuchter und kälter, als er allein in sein leeres Zimmer zurückkehrte.
XXXV
C erryl ging rasch durch den Vorraum zur Treppe des Turms. Eigentlich war der Tag nicht so schlimm gewesen, und er war froh, dass er zwischendurch etwas Ruhe gefunden hatte. Einige Söldner hatten im Bauchigen Fass etwas zu lebhaft gefeiert, aber sie hatten sich bereits wieder beruhigt, als er von Coreg, dem Anführer der zuständigen Streife, gerufen worden und in der Gaststube eingetroffen war. Der Wirt und Coreg hatten ihm nahe gelegt, die Männer nur zu verwarnen, und Cerryl hatte sich, wenngleich etwas verunsichert, an die Empfehlung gehalten. Danach schienen alle erleichtert. Cerryl fragte sich nur, ob er später noch Ärger bekommen würde – oder vielleicht auch Gyskas an seiner Stelle.
Cerryl ging kopfschüttelnd die Treppe zum ersten Stockwerk des Weißen Turms hinauf. Du hast immer noch nicht genug Erfahrung.
Die Wächter kannte er nur vom Sehen. Er nickte ihnen höflich zu, als er weiter zu Myrals Gemächern hinaufging. Er hoffte, den älteren Magier anzutreffen.
Vor Myrals Tür blieb er stehen und klopfte einmal an.
Sofort hörte er die vertraute Stimme. »Kommt nur herein, Cerryl.«
Cerryl öffnete die Tür und schloss sie hinter sich. Myral saß am Schreibtisch vor einem Becher heißem Apfelwein.
»Welchem Umstand habe ich diesen Besuch zu verdanken?«, sagte Myral lächelnd. Er räusperte sich und bekam sogleich einen würgenden Hustenanfall, der seinen ganzen Körper durchschüttelte.
Cerryl sprang auf, um dem älteren Mann zu helfen, doch Myral hob eine Hand und hielt ihn zurück. Nach einer
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