Die Farben des Chaos
Cerryl zu. Er spülte mit einem Schluck Bier nach.
»Wir haben uns vorhin über Klatsch und Tratsch unterhalten«, erinnerte Lyasa die Freunde.
»Im Augenblick ist Jeslek gleichzeitig Obermagier und Erzmagier«, überlegte Heralt.
»Wen werden sie wohl wählen?«, fragte Faltar.
»Wen werden wir wählen?«, berichtigte Lyasa ihn. »Wir müssen beide Posten neu besetzen und abstimmen, auch wenn es außer Jeslek keine anderen Vorschläge für den Posten des Erzmagiers gibt.«
»Aber wer wird der neue Obermagier?«, fragte Leyladin fast abwesend.
»Wer weiß?« Lyasa hob die pechschwarzen Augenbrauen. »Kinowin bleibt als Obermagier im Amt. Vielleicht schlägt Jeslek selbst jemanden vor.«
»Das wird er nicht tun«, meinte Heralt. »Er ist sehr eingenommen von sich, weil er jetzt Erzmagier wird. Er wird die Gilde jemanden aussuchen lassen.«
»Aber wen werden sie nehmen?«, fragte Faltar. »Myral ist zu alt. Derka kommt sicher nicht aus Hydolar zurück. Eliasar soll nach Gallos geschickt werden. Esaak beschäftigt sich nur mit seiner Mathematik.«
»Anya?«, warf Heralt ein.
»Das würde ihr gefallen«, meinte Lyasa lachend. »Aber man wird sie nicht wählen.«
»Wer dann?«
Cerryl lehnte sich zurück und versuchte, nicht an die Kopfschmerzen zu denken, die der Regen ihm eingebrockt hatte. Von Anyas Besuch ganz zu schweigen. Unwillkürlich musste er gähnen.
Leyladin beugte sich zu ihm herüber und flüsterte: »Du musst bald gehen, nicht wahr?«
Er nickte leicht.
»Langweilen wir dich, Cerryl?«, fragte Faltar.
»Ich bin schon vor der Morgendämmerung aufgestanden und nach dem Dienst noch etwas in meinem Bezirk herumgelaufen. Ich bin müde.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Aber nicht gelangweilt.«
Leyladin stand auf. »Ich muss noch einmal nach Myral sehen und dann gehe ich auch ins Bett.«
Cerryl erhob sich schwerfällig. »Es tut mir Leid, aber ich bin wirklich müde.«
Lyasa lächelte. »Also wird es Zeit fürs Bett.«
Cerryl errötete wider Willen.
»Nun geht schon, ihr zwei. Wir haben Verständnis.« Faltar grinste unverschämt.
Cerryl spürte Leyladins Verlegenheit. »Faltar … es gibt Menschen, die mit gewissen Dingen etwas anders umgehen als du.«
»Ha«, machte Heralt. »Jetzt hat er’s dir aber gegeben, Faltar.«
»Ich krieg doch ständig von allen was aufs Dach«, grollte der hellblonde Magier in gespieltem Ärger, als Cerryl und Leyladin schon zur Tür des Goldenen Widders unterwegs waren.
Draußen im nebligen Dunkel, in dem nur hier und dort ein paar einsame Lampen schimmerten, wandte sich die blonde Heilerin wieder an Cerryl. »Du musst mich aber nicht nach Hause bringen, wenn du so müde bist.«
»Es sind doch nur ein paar Straßen und die Bewegung wird mir gut tun.«
»Du lügst. Dir tun die Füße weh, du hast Kopfschmerzen und der Nebel und Regen machen es nicht besser.« Sie sprach leise und lächelte mitfühlend.
»Eine Schwarze Magierin kann man nicht anlügen«, sagte er. »Aber ich würde mich trotzdem besser fühlen, wenn ich dich nach Hause bringen könnte.«
»Das kann ich annehmen.« Das Lächeln wurde breiter. »Vielleicht kannst du übermorgen zum Abendessen kommen? Bis dahin müsste auch Vater wieder da sein.«
»Ist er denn schon wieder unterwegs?«
»Er ist in Lydiar, es ging wohl um Messingteile und Bewaffnete für ein Schiff, das nach Sommerhafen auslaufen soll.«
»Er ist in letzter Zeit häufig unterwegs.«
»Er meint, es geht nicht anders.«
Nach kurzem Schweigen sah Cerryl nach links, wo sich der Weiße Turm erhob. Trotz der Dunkelheit, trotz des Nieselregens und des Nebels schien der Turm fast von innen heraus zu leuchten.
»Du machst dir Sorgen. Was ist los?« Leyladin sah sich unwillkürlich um.
»Anya war bei mir.« Cerryl blickte jetzt in die gleiche Richtung wie sie. »Fydel hat mich im Innenhof aufgehalten, als ich zum Widder unterwegs war. Keiner der beiden hatte seit mehreren Achttagen auch nur ein Wort mit mir gesprochen.«
»Was wollten sie denn?« Leyladin blickte zum Markt, der dunkel und stumm in den Nebelschwaden lag.
»Nichts. Oder … nicht viel. Anya gab mir durch die Blume zu verstehen, dass es gut wäre, wenn der neue Obermagier ein Mann wäre, der Jesleks Macht nicht herausfordern kann. Fydel gab mir zu verstehen, ich solle mich nicht in Dinge einmischen, die über meine Arbeit bei der Stadtwache hinausgehen.«
»Hmm … und was hast du nun vor, lieber Cerryl?«
»Ich habe überhaupt nichts vor. Ich mache mir
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