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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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hier für ihre Tausende Goldstücke bekommen, das sie nicht anderswo günstiger erstehen können?«
    »Aber warum gehen sie dann nicht einfach weg?«
    »Wer sollte dann ihre Waren kaufen?«
    Die Unterhaltung nahm einen Verlauf, der Cerryl überhaupt nicht behagte. So war es ihm oft in seiner Anwärterzeit ergangen. Myral und die anderen Magier hatten eine Frage nach der anderen gestellt, ohne ihrerseits auch nur eine einzige zu beantworten.
    »Wer ist besser dran, der arme Handwerker in Fairhaven oder der arme Handwerker in Fenard?«
    »Natürlich der Handwerker, der hier lebt.«
    »Wer lebt in größerem Luxus, der Erzmagier oder der Präfekt von Gallos?«
    »Der Präfekt.«
    »Wer profitiert also am meisten von der Gilde?«, fragte Myral mit verschlagenem Lächeln.
    »Oh …«
    »Und wer zahlt die meisten Goldstücke?«
    Cerryl nickte.
    »Vergesst nicht, Cerryl, dass die meisten Goldstücke, die Händler und Kommissionäre zahlen … woher kommen sie?«
    »Sie kommen von denen, die ihre Waren kaufen.« Cerryl hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Myral verwirrte ihn. Es gab nur wenige reiche Kommissionäre, und das bedeutete, dass die meisten Waren von denen gekauft wurden, die weniger besaßen.
    »Die Steuern sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen«, erklärte Myral weiter. »Der Kaufmann, der die Steuern zahlt, holt sie sich von denen zurück, die seine Waren kaufen. Aber er hat das Gefühl, sie kämen aus seiner eigenen Tasche, obwohl ihm doch die Käufer die Münzen geben.« Der Magier mit dem schütteren Haar trank einen Schluck Apfelwein. »Ihr müsst darüber nachdenken. Ihr macht gerade ein sehr verwirrtes Gesicht.«
    Cerryl lächelte betreten. »Warum machen die Wächter an den Toren eigentlich dem Obermagier Meldung und nicht dem Kommandanten der Stadtwache?«
    »Hat Isork diesen Punkt zur Sprache gebracht?«, fragte Myral trocken.
    »Nein. Nicht einmal indirekt. Ich hatte bisher noch nicht einmal darüber nachgedacht, es ist mir gerade erst eingefallen.«
    »Ihr müsst sehr vorsichtig sein und dürft nicht einfach mit Euren Gedanken herausplatzen. Jedenfalls erstattet auch der Kommandant der Stadtwache dem Obermagier Kinowin Bericht, genau wie die Wächter an den Stadttoren.« Myral hustete. »So, und jetzt brauche ich alter Magier etwas Ruhe. Hinaus mit Euch.«
    Cerryl stand auf. »Vielen Dank, dass Ihr mich erleuchtet und zugleich verwirrt habt.« Er grinste.
    »Es ist keine rechte Erleuchtung, wenn es nicht verwirrend ist«, gab Myral zurück.
    Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, blieb Cerryl noch einen Augenblick auf dem Treppenabsatz stehen und versuchte, seine fliegenden Gedanken einzufangen. Die Kommissionäre, die Kaufleute und die Handwerker entrichteten auf ihren Reingewinn zehn Prozent Steuern an die Gilde. Er schürzte die Lippen. Wie viel hatte Tellis verdient? Fünfzig oder hundert Goldstücke im Jahr? Das machte fünf bis zehn Goldstücke für die Gilde und Cerryl hatte noch weitere zehn Schreiber gekannt. Das wären nur hundert Goldstücke. Aber wenn jede Gruppe von Handwerkern hundert Goldstücke zahlte … es gab Weber, Töpfer, Küfer, Korbflechter, Holzarbeiter, Walkmühlen, Apotheken, Juweliere, Kupferschmiede, Blechschmiede und alle möglichen anderen Schmiede …
    »Aber trotzdem …« Den größten Teil der Steuern zahlten die reichen Händler und Kommissionäre. Doch was hatte das mit dem purpurn gestrichenen Wagen, der Druidenseide und Fydels Warnung zu tun, die Nase nicht in Dinge zu stecken, die über seine Arbeit bei der Stadtwache hinausgingen?
    Er stieg nachdenklich die Treppe hinunter.
    Nur wenige würden es wagen, Druidenseide zu transportieren … immer wieder ging ihm durch den Sinn, was Myral ihm erklärt hatte.
    Warum? Wer hatte genug Geld, um sich Druidenseide zu kaufen? Cerryl schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, so offensichtlich, dass er viel früher hätte darauf kommen müssen. Doch ein kleiner Magier, der früher als Schreiber und Handlanger in einer Sägemühle gearbeitet hatte, dachte eben nicht ohne weiteres auf dieser Ebene. Er konnte durchaus allgemein und vielleicht sogar sehr genau sagen, wer Druidenseide kaufen würde, aber das beantwortete seine Fragen nicht. Er vermochte sich einfach nicht vorzustellen, dass ein wohlhabender Kommissionär aus Geldgier Druidenseide annehmen würde, die der Verkäufer durch ein Verbrechen erworben hatte.
    Er runzelte die Stirn. Warum eigentlich nicht? Im Handbuch und in den Regeln gab

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