Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
um einen Stapel Fässer auf dem Pflaster. »Und da ist er nicht der Einzige. Viele seiner Sorte sind dieser Meinung. Sie sehen im Feuer einfach nicht das, was es ist.«
»Was ist es denn in Wirklichkeit, Sir?«, frage ich.
»Vieles für viele Leute«, antwortet er. »Für uns und für die Pyrotechnik bietet es freudige Erregung und einen besonderen Genuss während eines Feuerwerks. Es gewährt uns eine Atempause von Schmerz, Schuld, Trauer und allen möglichen Problemen. Was für ein Geschenk das ist!« Er lüftet kurz den Hut, um jemanden auf der anderen Straßenseite zu grüßen.
»Es verzückt die Sinne weit über den Augenblick hinaus und ist nicht nur ein bloßes Glücksgefühl. Es sorgt für eine sehr reine Art von Abwechslung oder Abstand in uns. Es stillt einen Durst nach Hingerissenheit, von dessen Existenz wir vielleicht nicht einmal wussten.«
Er lacht bitter. »Diese Männer der Wissenschaft können das nicht begreifen. Und überdies«, fügt er hinzu, »sind ihre Gedanken über Feuer im Wesentlichen verbunden mit der Suche nach einer unsinnigen brennbaren Substanz, die sie Phlogiston nennen.«
»Was ist das?«, frage ich. Ich muss ab und zu in einen Laufschritt verfallen, um mit ihm Schritt halten zu können.
»Es ist etwas, das je nach Absicht dessen, der es beschreibt, variiert. Ich weiß nicht genau, woraus es besteht, genauso wenig wie die Wissenschaftler selbst es wissen. Sie beschreiben das Ganze grob als Brennbarkeitsprinzip.« Er schnaubt verächtlich. »Etwas Nachgiebiges und Unklares, dem keine wirkliche Materie zugeschrieben werden kann.«
»Mr. Jennet war recht unhöflich, Sir«, sage ich aufgeregt. Mr. Blacklocks Zorn steigert sich.
»Unhöflich? Er ist ein unverschämter Apotheker, und seine Einstellung widert mich an. Als könnten sie allein ihre Geheimnisse haben! Feuer ist für alle da, die es mit gebührendem Respekt behandeln.« Er bleibt stehen.
»Die Eigenschaften des Feuers stehen uns zur Verfügung, und trotzdem verstehen wir sein Wesen nicht, niemand von uns. Wir werden es nie richtig begreifen.«
Er blinzelt.
»Ich möchte, dass die Fertigkeit, Feuer zu handhaben und zu zelebrieren, mit Respekt betrachtet wird, das ist alles«, fügt er ruhiger hinzu. Er setzt seinen Hut ab und dreht ihn achtlos in den Händen.
»Hat deine Zeit in meiner Werkstatt dir kein Gespür dafür vermittelt?«, murmelt er. »Hast du nicht gelernt, Feuer wertzuschätzen?« Ich kann nicht erkennen, ob er mir eine Frage stellt, und deshalb zögere ich etwas, bevor ich antworte.
»Ich habe Feuer von Anfang an gemocht«, sage ich.
»Obwohl deine Familie …?« Er dreht sich zu mir um und runzelt die Stirn, als es ihm bewusst wird.
»Trotz allem. Ganz gleich, welchen Eindruck das machen mag. Ich kann es nicht erklären.«
Die Offenheit meiner Antwort scheint ihn zu befriedigen, und er sieht mich mit seinen dunklen Augen unverwandt an.
Als er in einen Laden geht, um Tabak zu kaufen, bleibe ich draußen stehen. Eine Frau hat Birkenbesen zum Verkauf auf dem Pflaster ausgebreitet. Sie hat gerade damit angefangen, ihre Waren in einen schäbigen Korb zu packen. Dabei fängt sie ein Gespräch mit mir an. Zuerst kann ich sie kaum verstehen, weil die Gedanken in meinem Kopf mich so sehr beschäftigen.
»Ich habe fünf Söhne … sie sind mir eine große Hilfe … mein Mann starb, wissen Sie. Das passiert, nicht wahr?« Ich murmle etwas.
»Wie lange haben Sie noch, bevor es kommt?«, fragt sie. Ich sehe sie erschrocken an. Ist mein Zustand jetzt für jeden so offensichtlich? Sicher nicht. Sie hat einen frischen scharlachroten Kratzer auf einer Wange. Ihre Haut ist runzelig. Ich antworte nicht.
Stattdessen wende ich den Blick ab und schaue die Straße hinauf, vorbei an den Frauen, die Kornblumen aus ihren Körben verkaufen, vorbei an dem Spaniel, der im Rinnstein etwas frisst, vorbei an einem Reitpferd und vorbei an einer jungen Fischverkäuferin, die sich mit einem Korb voll Flundern auf dem Kopf einen Weg durch die Menge bahnt. Eine große, schlanke Frau fällt mir auf, die sich mit einem anderen Mädchen unterhält; sie steht mit dem Rücken zu mir. Sie sieht aus wie … Während ich hinsehe, macht sie eine Geste mit der Hand, die leuchtende Seide ihres Ärmel fängt das Sonnenlicht ein, und ich höre ein Lachen, das mir vertraut vorkommt. Ist das dort Lettice Talbot? Kann das sein? Ich kneife die Augen zusammen und versuche, deutlicher zu sehen. Sie hat ihr Auftreten, ihren eleganten
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