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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Blüte abbricht und sie mir hinhält. Ich kenne ihren Namen nicht – eine Stadtpflanze.
    »Ich mag diese Blumen nicht«, sage ich und schüttle den Kopf. »Sie riechen irgendwie nach frischem Blut.«
    »Nehmen Sie sie!«, beharrt er.
    Ich lache, aber ich nehme die Blüte nicht an, und so schiebt er schließlich den Stängel durch ein Knopfloch an seiner eigenen Jacke.
    »Das war keine Niederlage«, sagt er achselzuckend. »Das Spiel gehört mir, nur mir!«
    Die späte Sonne wirft einen Bronzeschimmer über alles, und die Schatten auf dem Boden sind lang. Als wir an einem Brunnen stehen bleiben, in den das Wasser in einem sanften Strahl hineinplätschert, fangen die Tropfen das Licht ein und lassen sie in allen Regenbogenfarben funkeln. Das Wasser sieht frisch und klar aus.
    Ich stelle mir vor, dass ich hineinspringe, mit den Füßen zuerst. Ich lasse mich sinken, das Wasser schlägt mir über dem Kopf zusammen, und meine Haare treiben wie brauner seidiger Seetang an der Oberfläche. Die Schwerfälligkeit meines schwangeren Körpers würde sich im Wasser in nichts auflösen, und wenn ich die Augen öffnete, würde ich nur die endlose Weite des hohen blauen Abendhimmels über mir sehen.
    »Da ist ein Stern!«, rufe ich und zeige darauf.
    Cornelius Soul lehnt sich an den Brunnen und atmet tief ein. Ich tauche die Hand in der Nähe der Spiegelung des Sterns ins Wasser und bewege sie hin und her.
    »Wussten Sie, Miss Trussel«, fragt er, »dass hier Nachtigallen singen?«
    Ich ziehe die Hand aus dem Wasser und trockne sie an meinen Röcken ab. »Nachtigallen?«, wiederhole ich beunruhigt. »In Käfigen?«
    Cornelius Soul lacht leise. »Nein, sie sitzen in den Kirschbäumen und singen aus voller Kehle, um ihre Freier zu beeindrucken.« An einem Verkaufsstand kauft er gebrannte Mandeln, obwohl ich sage, dass ich nicht hungrig bin. Er öffnet die Tüte, beugt sich zu mir und hält sie mir hin.
    »Es gab einmal eine Frau, die eine Vorliebe für Nachtigallen hatte, sagt man«, flüstert er mir ins Ohr.
    »Was für eine Frau?«, frage ich und lasse die unerwünschte Süßigkeit wie einen Kiesel auf meiner Handfläche kullern.
    »Sie benutzte ein Öl aus gepressten Nachtigallzungen, um sich damit die Handgelenke zu parfümieren«, fährt er fort. Der Zucker knirscht zwischen seinen Zähnen. »Denken Sie bloß! Es heißt, dadurch würden die Laute der Liebe noch süßer, habe sie behauptet.« Seine Stimme klingt warm, und sein Atem riecht nach Mandeln. Er hat ganz langsam gesprochen, sodass jedes einzelne Wort mir auf gefällige Weise in den Kopf gleitet. Dann lehnt er sich wieder zurück.
    »Eine solche Grausamkeit wäre barbarisch, nicht wahr?«, verkündet er leichthin. Sein Ton ist verändert. Habe ich mir nur eingebildet, wie er zuvor gesprochen hat? Ich stecke mir die Mandel in den Mund und lutsche an der glatten Oberfläche. Als wir weiterspazieren, kreisen seine Worte langsam in meinem Kopf, wie schon das kleinste Rinnsal aus dem Mühlgraben das Mühlrad um seine Achse drehen wird. Seine Hand legt sich auf meinen Rücken, seine Finger wandern meine Wirbelsäule hinauf und drücken die Knochen und das Fleisch dazwischen.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich Ihnen ein Kompliment über Ihr gesundes Äußeres mache«, sagt er ganz leise. »Als ich Sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam, waren Sie eine recht dünne und knochige Miss, aber jetzt haben Sie eine ansehnliche Figur. Sie haben auf dem Land eindeutig nicht genug zu essen bekommen.« Er lacht mich an. »Und wie rasch ein rosiger Schimmer auf Ihren Wangen erscheint! Ich mag rosige Mädchen.«
    Die Sonne sinkt tiefer und tiefer, und als sie untergegangen ist, hinterlässt sie nur noch einen tiefroten Streifen am westlichen Himmel. Die Luft wird mit zunehmender Dämmerung bläulich und scheint vor gespannter Erwartung zu vibrieren. Hunderte von Lampen, die zwischen den Bäumen aufgehängt sind, glitzern geheimnisvoll in den Zweigen, wie Moorlichter oder überirdische Spielereien. Noch nie habe ich so viele Menschen auf einem Fleck gesehen. Die Szene, die sich vor meinen Augen entfaltet, ist wie ein verknäueltes, vielfarbiges Gewebe, das sich selbst webt und plötzlich wieder entflechtet. Die Fäden der Pfade der Menschen bewegen sich durch Licht und Schatten, sodass ich vom Zuschauen ganz benommen werde. Das Geräusch der Menge klingt wie das Summen eines Bienenstocks. Alle reden und lachen. Ich weiß, dass es keine wirkliche Welt ist.
    Er zieht mich ein wenig

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