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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Begleitung dort gewesen sein?«
    »Männer gehen nur aus drei Gründen nach Covent Garden.« Sie zählt sie an ihren dünnen Fingern ab. »Erstens, das Theater, zweitens, der Markt, und drittens …«, sie senkt die Stimme zu einem heiseren Flüstern, »… um einer Hure beizuliegen.«
    »Einer Hure?«, erwidere ich scharf. »So ein Mann ist Mr. Blacklock nicht.«
    Mary Spurren kichert. »Wie ahnungslos bist du eigentlich? Du weißt nichts von Männern!«
    Mrs. Blight betritt die Küche. »Männer? In der Beziehung sind sie alle gleich«, bestätigt sie genüsslich. »Jeder Mann wird zu einer Hure gehen, wenn er muss.«
    »Mr. Blacklock nicht«, wiederhole ich. »Er ist nicht so.«
    * * *
    Doch ihre beiläufige Bemerkung hat quälende Zweifel in mir gesät. Es ist die Art von Gedanke, die sich allmählich festsetzt und vor sich hin schwelt, so wie auch der kleinste Splitter sich in zarte Haut bohren und für eine Entzündung sorgen kann.
    Warum sollte es mich beunruhigen, dass er die Nacht außer Haus verbracht und uns nicht über sein Vorhaben informiert hat? Ein Mann hat Bedürfnisse. Oft genug habe ich meinen Vater diese Worte lallen hören, wenn er gerade aus dem Wirtshaus zurückgekehrt war und meine Mutter versuchte, sich seinem zittrigen Griff zu entziehen. In solchen Momenten vergaß sie ihre ehelichen Pflichten. »Nicht jetzt, Thomas«, fauchte sie dann und bedeutete uns, sofort zu Bett zu gehen.
    Und Mr. Blacklocks Frau ist tot. Natürlich hat er das Recht auf ein wenig Freude. Das Recht, in seiner Einsamkeit ein bisschen Trost zu suchen.

30

    Heute gehe ich mit Cornelius Soul in die Spring Gardens.
    Der Himmel ist klar und blau. Ich stelle mir vor, dass draußen vor der Stadt plötzlich der Frühling ausgebrochen ist, ein silbriges Grün auf den Blättern der Pappeln, der sanfte Ruf des Kuckucks über den Maiblüten und Wiesenkerbel wie Schaum zwischen den grünenden Hecken. Gewiss blühen im Gras schon viele Butterblumen und sprenkeln die Wiesen wie gelbes Mehl, das dorthin geweht wurde.
    Hier, innerhalb der Stadtmauern, hören wir das hohe Summen der Bienen in den Lindenblüten im Hof, und die Backsteine unter dem Baum sind klebrig feucht und gesprenkelt vom Honigtau. In diesen Tagen kommt es mir fast vor, als würde die Lebenskraft auch meine Glieder neu durchdringen.
    Cornelius Soul verspätet sich.
    »Es gibt eine Menge Leute, die auf dem Holzweg sind«, sagt Mrs. Blight und teilt uns großzügig ihre unerwünschte Meinung mit, als sie den Suppentopf vom Herd hebt. Eine fette Hausfliege spaziert auf dem Tisch auf und ab. Der durchdringende Geruch nach ausgekochten Hühnerknochen erfüllt die Küche.
    Ich richte mich gerade auf und schaue sie trotzig an. Mrs. Blight lacht mich aus und lässt dabei ihre Zähne sehen. Ich gehe also lieber hinaus in den Flur, um dort auf Cornelius Soul zu warten. Noch einmal streiche ich den Rand meiner Haube unter meinem Hut glatt. Ich habe der Versuchung widerstanden, ein paar von Mrs. Mellins Münzen auszugeben, um den Hut mit neuer Spitze zu verzieren, und schließlich sowohl meine Eitelkeit als auch mein Gewissen zufriedengestellt, indem ich ihn stattdessen wusch. Außerdem habe ich meine sauberen Kleider am Vorabend mit dem Plätteisen geglättet, als alle anderen zu Bett gegangen waren. Ich setze mich nicht hin, damit meine Sachen nicht allzu sehr zerknittern, und vor Unruhe beginnen meine Beine allmählich zu schmerzen.
    Während ich warte, kommt Joe Thomazin in den Hausflur geschlichen. Zuerst habe ich das Gefühl, er will etwas sagen, weil er mich so anstarrt. Aber dann kauert er sich auf der untersten Treppenstufe zusammen und scharrt mit den Füßen, als wäre er aufgebracht. »Was ist?«, frage ich ihn. Natürlich antwortet er nicht, und endlich trifft Cornelius Soul ein. Ich drehe mich um, um Joe Thomazin zum Abschied zuzuwinken, doch er ist plötzlich verschwunden – der Hausflur ist leer.
    Wir verlassen das Haus und rufen draußen auf der Straße eine Mietdroschke herbei. Vor lauter Schüchternheit kann ich Cornelius Soul kaum ansehen. In der Droschke riecht es modrig, und das Fenster ist so klein, dass ich kaum erkennen kann, wohin wir fahren.
    »Hier«, sagt er grinsend, »ich habe Ihnen Ingwerbrot von Tiddy-Doll in Mayfair mitgebracht.« Das flache Backwerk hat die Gestalt einer Frau und glänzt wie ein Messingteller.
    »Es ist golden!«, rufe ich aus.
    »Vergoldet«, sagt er mit einem leisen Lachen und dreht es um. »Sehen Sie mal, es ist

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