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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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klebrig wie eine rohe Auster bin. Der Raum dreht sich ein wenig, und ich finde es schwierig, meinen Verstand auf eine Sache zu richten. Man hat mich aufgebrochen, meine Gedanken sind lose und weich, wie bei einer Kordel, die aufgedreht wurde und deren einzelne Fäden sich entwirren können.
    Wieder werde ich vom Schlaf übermannt. Dabei träume ich lange, gewundene Träume von Sussex. Meine Füße an einem warmen Sommertag im Wasser des Flusses Stor, die kleinen Wellen umspülen meine nackten Beine, als wäre ich dort verwurzelt wie die Weiden.
    Als ich wieder aufwache, regnet es.
    Mrs. Blight rührt aufs Neue ein Pulver in Wein und Honig. Der Dampf steigt in Kringeln in die kühle Morgenluft auf. »Schlangenknöterich«, beteuert sie, als hätte ich Angst, dass sie mich vergiften will. Das Geräusch des in der Tasse rührenden Löffels ist beruhigend.
    »Um die Blutung zu stillen«, sagt sie. »Es wirkt sehr gut. Beinahe hättest du dieses Kind verloren, weil du immer weiter geblutet hast.«
    »Beinahe?«, sage ich. Und wieder halte ich die Luft an. Natürlich, denke ich. Das Gewicht. Das Gewicht ist immer noch da.
    »Kein Grund zur Sorge«, sagt sie. »Ich hab keiner Seele was davon erzählt. Besser für dich, die Niederkunft durchzustehen, als dich rücksichtslos selbst umzubringen. Dann kannst du es, wenn es gesund ist, bei den Findelkindern im Hospital in Bloomsbury Fields abgeben.«
    »Ich kenne diesen Ort«, erwidere ich, umfasse meinen Bauch unter der rauen Decke mit beiden Händen und halte ihn fest. Ich habe mich in so vielen Dingen geirrt. Vielleicht ist Mrs. Blight im Grunde genommen gar nicht so übel. Und jetzt, wo sie über mein Problem Bescheid weiß, kann ich mich bestimmt darauf verlassen, dass sie mein Geheimnis für sich behält. Kann ich das?
    Aber da ist eine Sache, die mir Sorgen macht. Sie sind anscheinend unangetastet, und sie hat sie auch nicht erwähnt – hat sie meine Münzen entdeckt, als sie mein Mieder lockerte?

35

    Binnen einer Woche legt sich der Anschein von Normalität wieder über mein Leben wie die neue und zarte Haut, die sich schnell auf einer Wunde bildet. Unter der Haut aber ist alles dabei, sich zu verändern, umzuformen.
    Mein Bauch unter der lockeren Kleidung ist jetzt riesig. Ich kann kaum glauben, dass Mr. Blacklock das nicht sieht, aber er schaut mich auch nicht mehr direkt an. Er ist ganz von etwas in Anspruch genommen und spricht nicht mehr so offen mit mir wie zuvor. Eigentlich sagt er fast gar nichts mehr, nachdem über die Aufgaben des Tages entschieden wurde.
    »Soll ich mit den halbpfündigen Raketen beginnen, Sir, oder lieber mit den Sternen für Ranelagh?«, frage ich und halte ihm die Bestellliste hin. Es gibt viel zu tun, und ich muss wissen, was am eiligsten ist. Wir geraten mit unseren Lagerbeständen in Rückstand.
    »Ja, ja, die Sterne, und dann die Raketen«, antwortet er. Ich merke, dass er mir kaum zugehört hat.
    »Und werden Sie dann die Hermesstäbe für Mr. Torré machen, Sir? Sie haben gestern zugesagt. Es heißt hier, er will ein Dutzend davon haben.«
    »Ja. Oder nein: Mach du zuerst die Hermesstäbe, sie werden morgen abgeholt«, sagt er, seine Meinung ändernd.
    »Morgen! …«, sage ich. »Ich habe noch nicht …«
    »Ruhe jetzt!«, unterbricht er mich. »Ich muss nachdenken, ich … bereite etwas vor.«
    Das ist alles, was er sagt. Warum erzählt er mir nicht, was er gerade tut? Es ist, als verweigerte er jedes unnötige Gespräch. Nichts ist mehr so, wie es war. Ich bin mir bewusst, dass dies die letzten Tage meines neuen Lebens hier sind – meines neuen Lebens, an das ich mich gewöhnt habe und das ich so sehr schätze. Was wird jetzt geschehen? Ich weiß es nicht. Selbst die Zeit ist nicht mehr so, wie sie war. Das Ticken der Uhr im Studierzimmer, das ich höre, als ich den Flur entlanggehe, wird immer langsamer, bis jeder Tag zu einer ganzen Lebenszeit wird.
    Mr. Blacklock hat mich nicht an meinem Krankenbett oben besucht. Natürlich habe ich das auch nicht von ihm erwartet. Und als ich wieder hinunter in die Werkstatt kam, noch wackelig auf den Beinen und anfangs voller Angst, seinem Blick zu begegnen, erwähnte er meine Erkrankung nur am Rande.
    »Bist du wieder gesund?«
    »Ja, Sir«, habe ich geantwortet, unsicher, wie viel er darüber wusste. »Gut, gut«, sagte er in schroffem Ton und erwähnte es dann nicht wieder. Ebenso wenig verlor er ein Wort über jene Nacht, bevor er abgereist war. Was habe ich erwartet? Es ist,

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