Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
strömen mir aus den Augen, so bitter ist es.
33
Ich träume von einem Spaßmacher, der vor einer Menschenmenge Tricks vorführt, und die Leute johlen. Lettice Talbot ist auch da, und ein Mann, dessen Gesicht ich nicht sehen kann, streichelt ihren weißen Nacken. Sie dreht sich zu ihm um, ihr Kopf fällt zurück, und ihre wunderschönen Augen sind halb geschlossen. Dann fühle ich ein reißendes Ziehen wie von einer Gefahr, die ich vergessen hatte, und jemand schreit: »Agnes, Agnes!«, bis mir die Ohren klingen. Mit einem Keuchen wache ich auf.
Mary Spurren hämmert gegen die Tür. »Agnes?«, brüllt sie mürrisch. Ich berühre mein Gesicht. Meine Wangen brennen, als hätte ich zu lange am Feuer gestanden. Was ist mit mir los? »Steh auf!«, ruft Mary Spurren durch die Tür. »Ich werde es nicht noch mal sagen.«
»Ich komme«, antworte ich und höre sie die Treppe hinunterstampfen. Zuerst denke ich nicht daran, dass Mr. Blacklock weg ist, und als es mir einfällt, ist der Gedanke ernüchternd. Das Haus wirkt verändert.
»Sind wir heute ein bisschen langsam?«, fragt Mrs. Blight, als ich in die Küche komme.
Wie übel mir von dem Sadebaumöl ist! Mein Verstand gerät völlig durcheinander, wenn ich daran denke.
»Du musst für mich zu Spicer’s gehen«, sagt Mrs. Blight. »Ich brauche dies und jenes. War ständig auf den Beinen die letzten paar Tage.« Ich bin zu müde, um einzuwenden, dass ich einen Berg Raketen fertigzustellen habe. Außerdem wäre Mr. Blacklocks Werkbank neben mir ohnehin leer. Ich kann die Arbeit später nachholen. Er wird es nicht einmal merken.
Ich hole meinen Umhang und wickle mich darin ein, bevor ich mich auf die Straße hinauswage. Als ich den Brunnen am Mallow Square passiere, hören die Frauen, die dort versammelt sind, auf zu plaudern, und das Mädchen, das gerade den quietschenden Pumpschwengel bedient, hält inne. Alle drehen sich um, um mich anzustarren. Es ist zu warm unter meinem Umhang. Es ist fast Sommer, und über der Straße flitzen die Schwalben hin und her, um über dem Wasser, das in die offenen Abflussrinnen läuft, Fliegen zu fangen.
Ich muss recht langsam gehen, denn der Boden unter meinen Füßen ist ziemlich uneben. Vielleicht bleibt Mr. Blacklock nicht so lange fort wie geplant, denke ich. Vielleicht kommt er schon heute Abend zurück, und wir können alle gemeinsam zu Abend essen, als wäre alles gut – als würde sich nichts ändern, sondern alles ewig so weitergehen wie bisher. Ich muss an der Straßenecke stehen bleiben und halte mich an einem Gitter fest, um zu Atem zu kommen.
Im Lebensmittelladen stelle ich fest, dass ich vergessen habe, was Mrs. Blight braucht. Ich stelle meinen Korb ab und reihe mich hinten in die Warteschlange ein, in der Hoffnung, dass es mir wieder einfallen wird. Das Geschäft ist voll. Benommen sehe ich zu, wie die Haushälterin des gepflegten Backsteinhauses an der Hauptstraße ein Stück Käse auswählt. Der Küchenjunge von der Schenke The Star holt ein Paket ab und schlurft wieder hinaus.
»Zwei fremde Männer sind heute Morgen in den Laden gekommen, Agnes Trussel«, ruft Mrs. Spicer mir zu, als sie mich sieht. »Ich musste an dich denken.«
»Oh?«, sage ich, und ganz entfernt spüre ich durch den warmen und Übelkeit erregenden Nebel in mir ein Aufflackern von Angst. »Zwei Männer?«
Sie wickelt ein großes Stück Käse ein und reicht es der Haushälterin. Langsam bahnt sich ein Gedanke den Weg in mein Bewusstsein, während sie spricht. »Sind vor Kurzem aus Sussex oder so gekommen, haben sie Mr. Spicer erzählt. Hab selbst nicht mit ihnen geredet, weil ich gerade bedient habe.« Sie streckt die Hand aus, um den Schilling der Haushälterin entgegenzunehmen. »Aus welchem Teil der Grafschaft kamen sie noch mal?«, ruft sie ihrem Mann zu. Er zuckt mit den Schultern. »Lewes? Cuckfield?« Er schüttelt den Kopf. »Sie haben jemanden gesucht, ein dünnes Mädchen, das so und so aussieht.« Sie bedient weiter. »Mr. Spicer hat sie so richtig abblitzen lassen, ja, das hat er!« Sie blickt zu ihrem Mann hinüber. »Neugierige Burschen. Er mag es nicht, wenn in seinem Laden zu viele Fragen gestellt werden. Nicht seine Aufgabe, in einer Gegend herumzustochern, sagt er, Ärger zu machen und Dinge aufzuwühlen. Wie ich gesagt hab, ich hab an dich gedacht, und dass deine Familie von da unten stammt. Könnten Männer von der Kirchengemeinde gewesen sein. Breite Hüte.«
Ich bin kurz davor, ohnmächtig zu werden.
Ich
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