Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
wie ich es mir gedacht habe. Er erinnert sich nicht daran.
Wenn ich bei dieser Hitze zu lange stehe, wird mir schwindelig. Heute Morgen bin ich auf dem Weg zum Füllgestell gestolpert und habe hastig zu Mr. Blacklock geschaut, aber er stand mit dem Rücken zu mir und hat nichts bemerkt. Er beugte sich – wie jetzt so oft – über einen schwelenden und stinkenden chemischen Versuch, über den er nicht spricht. Grauer Rauch steigt aus einer Schale auf, wenn er einen Anzünder an den Inhalt hält. Während er arbeitet, kritzelt er die ganze Zeit Notizen in das dünne, abgewetzte Buch, das er in seinem Gehrock aufbewahrt. Ich bin überzeugt, dass es etwas gibt, was Mr. Blacklock nicht mit mir teilen möchte. Manchmal sehe ich aus dem Augenwinkel eine Flamme aufleuchten, aber er ruft mich nicht zu sich, um mir zu zeigen, was er gerade tut.
Einmal stand ich vor der Apparatur auf seinem Arbeitstisch, als er aus der Werkstatt ging, um eine Rechnung aus seinem Studierzimmer zu holen. Ich nahm ein Gefäß in die Hand, um die Rückstände darin zu betrachten, und drehte es im Licht hin und her, um besser sehen zu können. Dabei hörte ich nicht, dass er zurückgekehrt war. Er war sehr aufgebracht.
»Wie kannst du es wagen, meine Arbeit anzufassen!«, knurrte er. Ich fuhr vor Schreck derart zusammen, dass ich die Schale fallen ließ. Überall waren Scherben.
»Es tut mir leid, Sir, so leid«, murmelte ich, während ich die Scherben, die mit einer Substanz überzogen waren, mit den Fingern auflas.
Danach gab ich mir noch mehr Mühe, ihm zu zeigen, dass ich ihm nützlich war.
Ich senke eine frische Hülse auf den Dorn und gebe eine Kelle trockenen Ton hinein. Also muss ich heute ein Dutzend Hermesstäbe laden und fertigstellen, inklusive Effektladung in Form von Feuerregen und Sternen. Ein Dutzend Hermesstäbe bedeutet die doppelte Anzahl an Raketen, da sie immer paarweise gekreuzt werden.
Ich drehe den Schlägel in meiner klebrigen Hand. Wie heiß es ist, eine feuchte, schwüle Hitze. Ich gebe die Treibladung hinein und nehme den Ladestock in die Hand, der mir schwerer vorkommt als sonst. Ich habe festgestellt, dass das Kind jetzt immer beim Geräusch der Schläge, wenn ich Raketen lade, um sich tritt. Gestern hat es seine Fäuste oder Füße gegen meine Rippen gedrückt. Es war kaum auszuhalten. Dann drehte es sich offensichtlich mit einem Ruck in mir um. Ich schrie unwillkürlich vor Verblüffung laut auf.
Mr. Blacklock blickte von der Schale in seiner Hand auf, auf der gerade eine chemische Reaktion ablief.
»Bist du wieder krank, Agnes?«, fragte er mich. Seine Frage klang abwesend, als wäre er aus seinen Gedanken gerissen worden.
»Ich bin nicht krank«, sagte ich ruhig und fuhr mit meiner Arbeit fort.
Nachts muss ich jetzt auf der Seite liegen und ein Knie anwinkeln, als würde ich eine große weiße Klippe erklimmen. Es ist zu heiß, um zu schlafen. Ich kann kaum atmen, weil meine Lungen keinen Platz mehr haben, und die dicke Luft scheint mein Atembedürfnis nicht zu befriedigen. In der Werkstatt muss ich mir Mühe geben, mein Gähnen zu unterdrücken. Ich bin so müde.
Mr. Blacklock setzt seinen Hut auf.
»Gehen Sie aus, Sir?«, frage ich.
»So ist es.«
Ich werfe wieder einen zweifelnden Blick auf die Bestellliste an der Wand. »Ich mache mir Sorgen, Sir, dass wir es vielleicht nicht schaffen …«
»Du wirst es hinbekommen«, entgegnet er wegwerfend.
»Aber, Sir …«
»Genug!«, knurrt er, und die Tür schlägt hinter ihm zu. Er hat nicht gesagt, wohin er geht.
Ich hebe die gefüllte Hülse vom Dorn und klopfe mit dem hohlen Ladestock auf den Tisch, um ihn von Pulver zu befreien, bevor ich die nächste Rakete in Angriff nehme. Ich habe die achte Rakete fast fertig. Wieder muss ich gähnen. Trotz aller Dringlichkeit muss ich mich ausruhen, nur einen Augenblick lang. Ich lege das Werkzeug hin und reibe mir den Bauch. Ich bin allein, selbst der schmutzige kleine Joe Thomazin ist nicht in der Werkstatt.
Es ist so ruhig bei dieser Hitze.
Schweiß sammelt sich an der Rückseite meines Kleides und unter meinen Ärmeln. An der offenen Tür taumelt ein roter Schmetterling und flattert herein und wieder hinaus. Draußen über dem Hof kreisen die Schwalben. Unter dem diesigen, überhitzten Himmel klingt ihr Schreien irgendwie gedämpft. Wie müde ich bin! Ich schließe die Augen, nur für einen Moment.
Ich wünschte, ich …
Und ehe ich michs versehe, wache ich mit einem Ruck auf. Lieber Gott,
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