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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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sehe mich um. Nur Leute, die etwas einkaufen wollen, gehen auf der Straße vorbei. Ein Hund schnüffelt an der Stufe. Wie groß der Käselaib ist, und wie groß das Loch aussieht, wo bereits ein Stück herausgeschnitten wurde. Wie mein Herz galoppiert, während es Blut durchpumpt!
    Ich denke an Mrs. Mellins Münzen in meinem Mieder. Ich denke an John Glincys gelbblonde Haare, die mir die Sicht auf die Sonne über mir genommen haben, und an sein unerträgliches, stoßendes Gewicht auf mir. Ich denke an den Hausierer, dessen Taschen mit schmutzigen Stofffetzen festgebunden waren. Ich denke an Cornelius Soul, der vor mir ausspuckt, und an Dilly Martinments abgeriebene Zähne, die fest auf die Münzen beißen, die ich ihr gegeben habe. Panik überkommt mich, und ich kann auf einmal nicht mehr richtig sehen. Es ist zu dunkel hier drin. Außerdem sind zu viele Fremde um mich herum.
    »Geht es dir gut, Agnes?«, höre ich Mrs. Spicer sagen. Ihre Stimme ist leise und klingt weit entfernt. »Bist ganz schön blass.«
    Als ich mir den Weg aus dem Laden bahne, kann ich kaum etwas sehen. Durch die offene Tür dringt Licht herein. Ich weiß, dass ich gegen Dinge stoße und sich ein paar Leute umdrehen und mir nachstarren, als ich die Straße entlanglaufe. Draußen im hellen Licht ist es warm und stickig. Am Orangenverkäufer vorbei, über den endlosen Platz, links, rechts – ich stehe vor der Vordertreppe des Hauses, als mir mein Korb einfällt. Ich habe meinen Korb im Laden stehen gelassen.
    Es ist so heiß.
    Ich krümme mich zusammen und keuche und schnaufe, aber ich bekomme nicht genügend Luft. Meine Beine zittern vor Anstrengung. Plötzlich spüre ich, wie sich an der Innenseite meiner Beine unter meinem Rock Feuchtigkeit ausbreitet, und ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Unterleib. Ich strecke meine Hand nach dem Geländer aus. Ich kann in dieser Hitze kaum noch stehen. Ich kann nicht mehr. Die steinerne Stufe kommt auf mich zu.

34

    Das Sonnenlicht wandert durch meine Kammer. Als die Uhr drei schlug, hat es einen leuchtend gelben Fleck auf den Waschtisch gemalt, eine Kurve über den gesprungenen Krug und die Schüssel beschrieben, Strahlen auf die Decke am Fuße des Bettes geworfen und sich dann in einem tiefen Braungelb über die Bodendielen gelegt. Die Sonne erreicht die andere Seite des Raumes nicht, weil sie hinter der Ecke verschwindet, bevor die Kirchenuhr sechs schlägt. Um sieben Uhr kann ich immer noch die Kirchturmspitzen von St. Alban und St. Mary the Virgin im goldenen Abendlicht erkennen, wenn ich den Kopf hebe. Ich bin sehr schwach. In meinem Mund ist ein unbekannter Geschmack.
    Überrascht stelle ich fest, dass mein Kopf ganz leer ist. Mit den Augen verfolge ich die Risse in der Wand neben dem Bett, und ich lausche den Geräuschen, die bis in meine Kammer dringen. Die Sonne ist lautlos, aber manchmal ist das dünne Surren einer Fliege zu hören, das Rumpeln eines Wagens draußen auf den trockenen, schmutzigen Pflastersteinen, der Ruf eines Mannes und die Antwort in der warmen Luft. Bisweilen höre ich in der Nähe das Bellen eines Hundes, hartnäckig wie das Geräusch einer Handsäge, die Holz zersägt. Eine Weile klingt es gedämpfter, als wäre eine Tür geschlossen worden, und dann hört es auf. Unten im Hof wird Wasser ausgeschüttet, und ein Scheppern ertönt, als würde etwas in einem Eimer umgerührt.
    Was ist mit mir? Ich erinnere mich an etwas, aber nur unvollständig, als befände sich der Gedanke hinter einer Wand und wäre nur teilweise sichtbar. Als der Gedanke allmählich vollständiger und klarer wird, sorge ich dafür, dass er auf Armeslänge entfernt bleibt und erst allmählich in mein Bewusstsein dringt. Ich sehe mich um.
    Auf dem Bett sind Flecken, das Laken ist ganz dunkel davon, und der schwache, süßliche Geruch von Blut hängt in der Luft. Die Schmerzen waren schlimm, als wäre das Wesen in mir tot gedrückt und dann in Schüben herausgepresst worden. Ich glaube, mich daran zu erinnern, aber ich bin mir nicht sicher. Was ist das für ein Geschmack in meinem Mund? Ich kann mir nicht vorstellen, was es sein könnte. Es ist süß, fast wie Honig.
    Die Stille ist ein Nichts, denke ich. Sie ist jetzt das Gefühl, dass der Schmerz aufgehört hat, das Gefühl des Nicht-Schmerzes, und könnte es sein, dass Stille auch in mir drin ist? Ich halte die Luft an und lausche angestrengt, so, wie man es tut, wenn man feststellen will, ob ein Lebewesen noch atmet.
    Nichts.
    In mir ist

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