Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
hilf mir!, sage ich, als ich die Uhr schlagen höre. Eine Stunde ist vergangen. Ich muss mich sammeln. Rasch rechne ich durch, wie viel Zeit ich noch habe, um die restlichen Hülsen zu füllen, und stelle fest, dass ich nicht in Panik verfallen muss. Wenn ich mich beeile, werden die Raketen rechtzeitig fertig sein.
Ruhig stelle ich die achte Rakete und das Gegenstück dazu fertig. Dann die neunte und die zehnte. Ich komme gut voran, denke ich. Die elfte. Und jetzt die Effektladung für die Raketenköpfe. Schnell, schnell! Arbeite zügiger, Agnes, treibe ich mich an. Erfülle den Auftrag geschickt und pünktlich. Du willst John Blacklock nicht verärgern. Die ganze Zeit über lausche ich angestrengt, ob seine Schritte im Flur zu hören sind. Aber gerade als ich das erste des elften Raketenpaars beginne und meinen Spatel in die Effektladung stecke, trifft mich die niederschmetternde Erkenntnis, dass ich nicht mehr genug davon habe, mit voller Wucht. Ich habe die Menge falsch berechnet.
Zuerst arbeite ich weiter und hoffe, dass ich mich geirrt habe und die Menge auch noch für die Garnitur der zwölften Rakete ausreichen wird. Als ich das letzte bisschen aufgebraucht habe und noch nicht fertig bin, stelle ich mich wieder vor die Liste und starre darauf – vielleicht werden ja nur elf Hermesstäbe benötigt oder sogar nur zehn. Aber nein, dort steht: ein Dutzend. Ich habe keine Zeit mehr, mehr Garnitur zu zermahlen. Ich habe versagt, denke ich, kläglich versagt. Es ist so wichtig, warum nur habe ich die Mengen so nachlässig abgemessen?
Ich stelle die anderen Raketen fertig. Ich schneide Kordel zurecht und wachse sie sorgfältig. Der Reihe nach binde ich die fertigen Raketen an ihre Leitstäbe. Das letzte Paar leerer Hülsen liegt auf dem Arbeitstisch. Mit wachsender Verzweiflung lasse ich den Blick durch die Werkstatt schweifen, und dabei entdecke ich den Mischbehälter, den Mr. Blacklock stehen gelassen hat. Was ist das? Darin befindet sich eine vorbereitete Mischung für die Effektladung von Raketenköpfen. Natürlich, ich erinnere mich, dass er anfangs gesagt hatte, er selbst werde sich um diese Raketen kümmern – diese Mischung muss dafür bestimmt gewesen sein.
Ich rieche daran. Ist es …? Vielleicht sollte ich es nicht benutzen, mahnt mich eine kleine Stimme zur Vorsicht. Aber es ist so viel, es wird ihm gar nicht auffallen, wenn ich ein kleines bisschen herausnehme, nur um diesen Auftrag zu beenden. Ich kann es später ersetzen. Die Kirchenuhr schlägt jetzt zur Viertelstunde, und ich weiß, dass ich keine andere Wahl habe. Schnell befördere ich einige Spatel von der frischen Effektladung in die letzten beiden Köpfe und füge normale Sterne hinzu. Dann kommt die Treibladung an die Reihe, und gerade als ich die beiden Köpfe fest zuklebe, höre ich, wie die Haustür geöffnet wird. Mr. Blacklock betritt die Werkstatt. »Ist alles fertig?«, fragt er. Hastig schiebe ich die Einzelteile des letzten Hermesstabes auf dem Arbeitstisch ganz nach hinten ans Fensterbrett und hoffe, dass er sie nicht bemerkt. Ich kann sie morgen früh als Erstes fertigstellen, bevor sie abgeholt werden.
»Alles fertig, Sir«, antworte ich. Nicht ganz gelogen, denke ich.
»Gut«, sagt er, »denn Mr. Torrés Botenjunge war gerade in der Nähe und ist auf gut Glück vorbeigekommen, um zu sehen, ob der Auftrag schon fertig ist. Er wartet draußen auf dem Wagen.«
»Oh!«, stoße ich hervor.
»Gibt es ein Problem?«
»Nein, Sir.« Dann ist es eben eine Rakete zu wenig, denke ich. Mit flatternden Händen packe ich die Kiste, und er gibt dem mürrischen Jungen ein Zeichen, hereinzukommen. Er nimmt die Kiste mit, bevor ich Gelegenheit habe, noch einmal darüber nachzudenken.
»Du erweist dich als zuverlässig«, sagt Mr. Blacklock später überraschend, als wir den Arbeitstag kurz vor dem Abendessen beenden. Ich blicke zu Boden. »Ein solches Lob verdiene ich kaum, Sir«, antworte ich errötend. »Soll ich die Fensterläden schließen?« Zu dieser Jahreszeit sind die Tage lang, und man vergisst leicht, sie zuzumachen.
»Vielleicht komme ich später noch einmal her«, sagt Mr. Blacklock. »Lass sie offen, der Abend wird hell genug sein, um zu arbeiten.«
»Mrs. Blight hat heute ihren halben freien Tag«, erinnere ich ihn, als wir den Flur entlanggehen. »Sie hat ein Stück kaltes Lammfleisch in den Fliegenschrank gelegt, und sie sagt, wir brauchen neue Kerzen, bevor die Woche um ist.«
Niemand spricht viel während des
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