Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
Vom Netzwerk:
Balkenwaage«, sagt er. »Der Einpresszapfen. Die Feile. Der Stößel. Der Füllkasten. Die Bürette für Flüssigkeiten.« Er deutet auf die verschiedenen Gegenstände. »Destillierkolben, Stopfer, Kolben, Walze, Trichter, Kneifzange, Töpfchen, Tässchen.«
    »Ein Tässchen?«, frage ich.
    »Ein Messbecher für kleine Flüssigkeitsmengen von einem Viertelliter oder weniger. Ich hoffe, dein Geist ist so schnell und wendig, wie deine Hände angeblich sind«, sagt er. »Ich mag es nicht, zweimal dasselbe sagen zu müssen.«
    Mit steifen Beinen geht er zu den Regalen an der Wand, als ob ihm das Reden unangenehm wäre. Dort sind Unmengen von Flaschen und Tiegeln unterschiedlicher Höhen und Formen aufgereiht: ein Durcheinander an großen Glasbehältnissen, unter denen sich die Regalbretter biegen, eine Ansammlung staubiger Krüge von der Größe meiner Faust, Gefäße, die der Teebüchse bei Mrs. Porter ähnlich sehen, und winzige verkorkte Fläschchen.
    Mit dem Rücken zu mir liest er die Aufschriften auf einigen Etiketten vor.
    »Schwefel, Antimon, Auripigment, Holzkohle, Ambra, Terpentinöl.« Seine Stimme klingt dunkel und rau wegen des Hustens. »Messingstaub, Stahlspäne, Salpeter. Gummigranulat, Pech.« Er greift an das Ende des ersten Regals und dreht sich dann ruckartig zu mir um, um sicherzugehen, dass ich zuhöre.
    »Ich kann lesen, Sir«, sage ich, um hilfreich zu sein. Die Gefäße sind schmutzig, und viele der Etiketten sind verblasst und im Dämmerlicht schwer zu entziffern, aber ich lese ihm einige vor, um es ihm zu beweisen: »Kadmium, rote Ziegelerde, Kampfer, Eisenoxid.«
    »Ich lese die Worte langsam, Sir, aber wenn ich sie einmal gelernt habe, vergesse ich sie nicht mehr so leicht. Aber ich schäme mich, dass ich nicht schreiben kann«, füge ich hinzu. Er nickt und wirkt eigenartig zufrieden. Er starrt mich einen Moment lang sehr aufmerksam an. Seine Augen zwinkern nicht, und ich entdecke, dass sich ein gelber Ring um die dunklen Pupillen zieht, wie bei einem Falken. Rasch wende ich den Blick ab und betrachte das Regal.
    »Was ist Eisenoxid, Sir?«
    »Der Verbrennungsrückstand von Eisen, ein rötliches Pulver«, erklärt er.
    »Es sind so viele Gefäße«, bringe ich staunend hervor. Der Schmutz und die Spinnweben lassen darauf schließen, dass viele davon schon lange Zeit nicht mehr angerührt wurden. Die Wachsabdichtungen sind unbeschädigt, als würde der Inhalt nicht gebraucht. »Aber Sie benutzen nicht alle«, füge ich hinzu.
    »Was?«, fragt er knapp.
    »Die ungeöffneten Gefäße, Sir. Wofür sind sie?«
    »Vor sechs Jahren hatte ich Ziele anderer Art«, erwidert er kurz.
    »Und wofür haben Sie sie gebraucht?«, frage ich, aber er scheint mich nicht zu hören. »Verschwendung!«, murmelt er ärgerlich vor sich hin. Es tut mir leid, es erwähnt zu haben.
    »Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie Frauen in meiner Werkstatt. Sie sorgen für Reibereien und Ärger. Ihre Emotionen könnten Funken erzeugen. Sie haben eine Chemie, die der Ebenmäßigkeit meines Handwerks entgegensteht.« Er räuspert sich. »Meine Assistentin muss ausgeglichen sein und darf sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, niemals.«
    Ich klammere mich an diese Worte: Assistentin von Mr. Blacklock, Pyrotechniker. Ich spüre, wie mich die Aufregung durchflutet, und blinzle, um meine Begeisterung vor ihm zu verbergen.
    »Die Atmosphäre hier drin muss so still wie das Wasser eines Teiches sein«, fährt er fort. Es ist gut, dass er nicht in meinen Kopf blicken kann.
    »Keine flatterhaften, plötzlichen Bewegungen. Bis jetzt ist es eine Männerdomäne gewesen. Aber die meisten Regeln sind doch dazu da, um sie aufzuheben.« Er hustet wieder in seine Faust. »Binde deine Haare zusammen, und gewöhn dir an, deine Kleidung eng anliegend zu tragen.« Er gibt mir eine Lederschürze. »Trag diese Schürze, und mach sie immer hinten zu. Keine Posamente. Keine Spitzen oder Bänder. Ich möchte nicht, dass Werkzeuge von diesem Arbeitstisch hier mit Werkzeugen von dem dort drüben vermischt werden. Nur Stößel mit Holz, niemals Kupfer.«
    Das sind eindeutig Regeln, gegen die nicht verstoßen werden darf, und ich denke, aus gutem Grund. Sogar die Luft hier drinnen könnte wahrscheinlich von einem Moment zum anderen explodieren. Ich gelobe mir, nie einen Funken zu erzeugen, indem ich ein starkes Gefühl entwickle. Dann nehme ich diesen überhasteten Gedanken schnell zurück, denn Gelübde sind gefährlich.
    Er sucht gerade nach

Weitere Kostenlose Bücher