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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Unterrock zur Seite.
    Ich werde nicht an zu Hause denken.
    Neben dem Bett steht ein einfacher Stuhl. Ich befinde mich in einem fremden Haus mit Fremden, und ich könnte den Stuhl vor die Tür schieben, um Eindringlinge abzuwehren, wenn ich schlafe. Aber was würde er schon nutzen, er ist schmal und leicht. Stattdessen klettere ich halb angekleidet ins Bett und lege mich ängstlich hin.
    Die Reise schwirrt mir immer noch wie eine Zitterkrankheit im Kopf herum, als wäre sie noch nicht vorbei und als wäre meine Seele noch dort draußen auf der Straße unterwegs, von einem Schlagbaum zum anderen, und mühte sich, mich einzuholen. Wie enttäuscht wird die reizende Lettice Talbot sein, wenn sie feststellt, dass ich nicht in ihrer Unterkunft eingetroffen bin. Und wie schade ist es, eine besondere Freundin schon so bald wieder zu verlieren. Was würde sie davon halten, wenn sie wüsste, dass ich einfach in das Haus eines Fremden spaziert bin und jetzt dort im Bett liege? Und das, obwohl ich ihr versprochen hatte, vorsichtig zu sein. Ich muss Lettice Talbot so bald wie möglich suchen. Ich werde sie ausfindig machen und ihr mitteilen, wo ich bin.
    Was ist das hier für ein Ort?
    Die Kerzenflamme flackert im Luftzug. Draußen trommelt der Regen gegen die Fensterscheibe. Der Vorhang bewegt sich.
    Über mir ist ein Geräusch zu hören, und ein wenig pulverartiger Staub fällt von einem Riss in der Zimmerdecke auf das Bett. Ich ziehe die Decke hoch und kneife die Augen fest zu. Ich bete, dass meine Mutter sich nicht völlig verausgabt und krank wird, weil ich sie im Stich gelassen habe, und dass Lil sich nicht so sehr grämt und die ganze Nacht weint. Aber ich kann nicht beten, dass das Problem in mir sich von selbst auflöst und mich in Ruhe lässt. Ich kann nicht einmal daran denken. Ich werde nicht daran denken. Gegen meinen Willen beginnen die Tränen zu fließen und laufen mein Gesicht hinunter in meine Ohren. Ich spüre die Münzen als Klumpen in meinen Unterröcken, als ich mich umdrehe, um die Kerzenflamme auszublasen.
    Später träume ich, dass John Glincy mir mit seinen schmutzigen Fingern Gold in den Mund schiebt, und ich muss würgen. Ich würge, weil es eine solche Verschwendung ist, Mrs. Mellins Münzen zu verschlucken.

9

    Bei Tagesanbruch gehe ich hinunter. Die Küche ist leer, obwohl die Kohlen im Herd kräftig rauchen. Durch ein kleines Fenster an der Rückseite des Hauses sehe ich, dass der Regen über die Dächer strömt und sich in den Hof ergießt. Die Fensterscheiben sind aus dickem, grünlichem Glas, wie Eis, das im Winter aus Teichen herausgeholt wird. Trotzdem kann ich draußen das Unkraut erkennen, das in den Ritzen des Backsteinpflasters wächst, und einen dünnen Baum, vielleicht eine Linde. Das dicke Glas lässt die Dinge weit entfernt und schief wirken. Hoch oben sitzt ein Vogel zusammengekauert und klein zwischen einer Ansammlung von Schornsteinen. Wie schlecht ich mich fühle! Ich blicke auf meine vertrauten Hände in dieser fremden Umgebung. Der merkwürdige Geruch durchdringt das Haus, er ist überall. Meine Fingerspitzen sind schwarz und schmutzig, weil ich das Fensterbrett berührt habe. Der Schmutz bildet eine sonderbare körnige Schicht auf den Möbeln, den Treppengeländern, den Tassen und Tellern.
    Mary Spurren kommt mit einer Kehrschaufel und einem Besen in die Küche.
    »Bist spät dran fürs Frühstück, kannst dir aber Dünnbier von dort drüben nehmen.« Sie zeigt mit dem Finger und klappert mit ihrem Kehrzeug. »Ich würde mich beeilen. Mr. Blacklock wird dich bald holen. Da ist ein Laib Brot. Mrs. Blight ist neu hier, sie ist unterwegs, um sich in den Geschäften mit den Händlern bekannt zu machen. Ich hab sie zu Saul Pinningtons Laden geschickt, wo wir immer Rindfleisch und Hammel kaufen. Bei Spicer’s gibt es Seife und Lebensmittel. Sie sagt, sie sieht sich erst die Qualität an, bevor sie was kauft.«
    Ihre Stimme ist belegt und schwer zu verstehen, so als wäre sie nicht daran gewöhnt, viel zu sprechen.
    »Was für eine Art von Geschäft betreibt Mr. Blacklock?«, frage ich sie schüchtern und schenke mir etwas aus dem Krug ein.
    »Feuerwerke macht er«, antwortet sie.
    »Feuerwerke!« Ich bin verblüfft. »Er macht sie?« Sie wischt sich die Nase an ihrem Ärmel ab.
    »Hab ich doch gesagt. Alle Arten von Feuerwerkskörpern. Exotische Feuer. Gottlose Explosionen für den Sommer nenne ich sie. Für die Lustgärten und wenn die Vornehmen sich treffen. Was ich davon

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