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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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empfinde keine moralische Verpflichtung, mich daran zu halten«, fügt er hinzu.
    Ich halte inne und stütze mich auf den Stößel. »Also würden Sie einen Gesetzesbruch verzeihen«, frage ich mit abgewandtem Gesicht, »wenn er sich nicht gegen das Leben einer Person richtet?«
    »Ich bin gegen Gewalt«, sagt er. »Aber andere Vergehen? Sie stellen sich anders dar, je nachdem, wer darüber spricht. Das Verbrechen des einen kann für den anderen Gerechtigkeit bedeuten.«
    »Geht es nicht nur darum, die Wahrheit herauszufinden und zu prüfen, ob sie den Gesetzen entspricht?«
    »Aber die Gesetze werden von Menschen gemacht, und jeder hat seine eigenen Beweggründe.«
    »Diese Gesetze sind alt!«
    »Und ihre Auslegung ist so vielfältig wie die Zeiten, in denen sie gelten, Miss Trussel.«
    Ich lege den Stößel hin. »Mein Vater hatte nicht die Absicht, sein bisschen Land an den Gutsbesitzer abzugeben, der es kaufte, aber das Gesetz ließ ihm keine andere Wahl«, sage ich. »Viele Familien wie meine eigene haben Schaden genommen und wurden ins Elend gestürzt, obwohl sie kein Verbrechen begangen haben.«
    Cornelius Soul greift nach dem Heft von Mrs. Blight, das aufgeschlagen auf dem Arbeitstisch liegt, und blättert es rasch durch. Bei einer Seite hält er inne und sieht mich an.
    »Einen neunzehnjährigen Jungen umzubringen, zuzusehen, wie er am Galgen baumelt, mit der grausamen Macht der moralischen Gewissheit. Oder der Versuch, einen Bissen zu essen zu stehlen. Was ist verwerflicher?«, fragt er. Ich brauche nichts zu antworten.
    »Wenn die Armen das Wahlrecht hätten, würden die Dinge anders aussehen«, fügt er hinzu und lacht. »Sie müssen mich unterbrechen, Miss Trussel, wenn Sie mich langweilig finden. Außerdem«, sagt er mit einem Augenzwinkern, »ist es nicht nur die politische Haltung, die einen Mann ausmacht.«
    »Wirklich?«, sage ich. »Da bin ich mir nicht so sicher. Das Wesentliche sind seine Überzeugungen.«
    Cornelius Soul grinst. »Die Veränderung muss von unten kommen – wie eine steigende Flut.«
    Ich zähle zwanzig Tropfen Öl ab, die vom Ende der Pipette zitternd in den Mörser kullern, und runzle die Stirn.
    »Aber wie können die Armen den Willen zu gewinnen aufbringen, Mr. Soul, wenn sie bei jedem Schritt wissen, dass sie nicht einmal genügend Brot gegessen haben, um gestärkt das Ende der Straße zu erreichen?«, sage ich ganz leise. Ich erinnere mich daran, was ich gesehen habe, als ich in die Stadt kam. »Zu Hause würden wir nicht einmal das Vieh so halten, wie manche Leute hier leben. Mein Bruder Ab wäre erschüttert. Bäuche, die sich nach Nahrung sehnen, falls sie nicht mit Gin betäubt sind, und Kinder, die nicht wachsen oder an Vernachlässigung und Krankheiten sterben. Sie haben gar nicht die Wahl, in Würde zu arbeiten.«
    »Mir war gar nicht bewusst, wie zornig Sie sind, Miss Trussel«, sagt er, als würde ihn das erstaunen.
    »Ich habe Augen im Kopf«, sage ich. Er antwortet nicht. Ich hoffe, er ist jetzt nicht enttäuscht von mir. Unsere Unterhaltung gerät ins Stocken, und er schnippt mit dem Finger gegen die Werkzeuge, die von dem Draht an meiner Werkbank hängen, sodass sie klirren und klimpern.
    Ich versuche es noch einmal.
    »Sie sprechen so entschieden davon, dass Sie Teil einer aufsteigenden Welle von der Schattenseite der Stadt sind. Aber wenn Sie tatsächlich Erfolg haben, werden Sie dann nicht genauso werden wie sie?« Ich verschütte ein wenig Schwefel, als ich ihn mit einem Spatel in die Waagschale befördere.
    »Und Sie missbilligen das«, sagt er. Es hat sich etwas verändert. Ich habe zu viel gesagt.
    Ich sehe auf und versuche, den Blick seiner leuchtenden Augen einzufangen, aber er weicht mir aus.
    Draußen im Hof kippt Mary Spurren einen Strom schmutzigen Wassers aus einer Schüssel in die Gosse, wischt sich die Hände an der Schürze ab und kehrt in die Spülküche zurück. Ein Vogel ruft in der Linde.
    »Ich bin unschlüssig«, sage ich schließlich in einem Versuch, ehrlich zu sein. Dann stürzen weitere Worte aus meinem Mund, bevor ich Zeit habe, darüber nachzudenken. »Ich weiß nicht … was für eine Sorte Mann Sie sind.« Es hört sich an, als würde das eine Rolle spielen.
    Er dreht sich zu mir um und sieht mich an.
    »Sie sind sehr direkt.« Er lacht nicht, obwohl ich wünschte, dass er es täte. Er wirkt entspannt, aber seine blauen Augen sind auf der Hut, als wollte er mich nicht an seinen Gedanken teilhaben lassen.
    Die Haustür geht

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