Die Farm am Eukalyptushain
läuft gut. Leider ist Ellen in den letzten zwanzig Monaten rastlos geworden. Sie langweile sich, klagte sie, und vermisse die bunten Lichter von Sydney. Ohne Poppys Wissen hat sie an Michael, ihren Mann, geschrieben. Anscheinend hat sie geglaubt, er habe sich geändert. Vielleicht hat auch die lange Trennung ihren Blick verklärt – jedenfalls hat sie ihm gesagt, wo sie lebt, und ihn gebeten, sie zu holen.«
Catriona presste die Lippen zusammen und las schnell weiter. Sie erfuhr, dass Poppy zu Fred gegangen war und ihm mitgeteilt hatte, dass Michael aufgetaucht war, einen kurzen Blick auf das hübsche kleine Anwesen geworfen und sofort beschlossen hatte zu bleiben. Um Poppy einen Gefallen zu tun, hatte Fred ihn zum Zäunebauen eingestellt, doch Michael hatte sich als unzuverlässig erwiesen und zu viel getrunken.
Dann hatte Michael Cleary einen Job im Pub bekommen, aber schon kurze Zeit später hatte man ihn mit der Hand in der Kasse erwischt und entlassen. Eine Zeit lang hatte er noch in der Futterhandlung gearbeitet, aber dann hatte er es aufgegeben und lebte seitdem von Poppys und Ellens mageren Einkünften. In Freds Augen war er ein nichtsnutziger Trinker und außerdem niederträchtig und jähzornig, und er schuldete jedermann Geld.
Die arme Poppy schämte sich, ihm wirklich alles zu erzählen, aber Fred konnte zwischen den Zeilen lesen und wusste, dass dort draußen nichts mehr so war, wie es sein sollte. Poppy und Ellen hatten versucht, es zu verbergen, aber er hatte Blutergüsse und blaue Augen gesehen. Und jetzt wollte er von Catriona wissen, was er mit Michael Cleary anfangen sollte.
Catriona war wütend. Wütend auf Poppy, weil sie sich ihr nicht anvertraut hatte. Wütend auf Ellen, weil sie so dumm gewesen war, diesen schrecklichen Kerl wieder in ihr Leben zu holen – und wütend, weil sie nicht sofort hinfahren und dem Mistkerl die Meinung sagen konnte.
Sofort schrieb sie einen Brief an Fred: Er solle Michael beiseite nehmen und ihn warnen – ihm, wenn nötig, Gewalt androhen, damit er die Frauen in Ruhe ließ.
Als Nächstes schrieb sie einen Brief an Michael selbst: Wenn er die Frauen noch einmal anrühren sollte, werde sie persönlich dafür sorgen, dass die Polizei informiert wurde. Das letzte Schreiben war das schwierigste. Poppy war stolz, und wenn ihr klar wurde, dass Catriona von ihrer Notlage wusste, würde sie ihr Bestes tun, um alles zu leugnen. Aber der kleine Junge musste beschützt werden, bevor sein Vater anfing, auch ihn zu schlagen – und Catriona ließ keinen Zweifel daran, dass sie das Sorgerecht für Connor beantragen würde, wenn die Gewalttätigkeiten nicht aufhörten.
Connor konnte sich nicht erinnern, wann sein Vater ihn das erste Mal geschlagen hatte. Doch da es inzwischen regelmäßig geschah, fand er sich damit ab, dass das Leben so war. Sein Vater, betrunken oder nüchtern, gut oder schlecht gelaunt, brauchte keinen Anlass. Sein Sohn war sein Prügelknabe geworden.
Mit vier Jahren hatte Connor gelernt, ihm aus dem Weg zu gehen und nicht vor Schmerzen zu schreien, wenn er von einem Ende des hölzernen Schuppens zum anderen geschleudert wurde. Er hatte gelernt, nachts das Gesicht im Kopfkissen zu vergraben und lautlos zu weinen, während ihn die Blutergüsse quälten und die Flüche seines Vaters in seinem Kopf widerhallten. Seine Kindheit war dahin, bevor er sie erleben konnte.
Tagsüber war er vollkommen verängstigt. Wenn er die Schritte seines Vaters auf der Veranda hörte, überlief ihn ein Schauer des Entsetzens. Klangen die Schritte leicht, war der Vater nüchtern und gut gelaunt? Oder waren sie schwer, und erbebte das Haus, wenn er die Fliegentür aufstieß und brüllend sein Essen verlangte? Meistens war Letzteres der Fall.
Eine furchterregende Stille erfüllte die Küche, wenn er nachAlkohol stinkend hereingestapft kam, ein bösartiges Funkeln in den Augen. Dann zog Granny den Kopf ein und senkte den Blick, und Mum stellte hastig das Essen auf den Tisch und flüchtete sich in den dunkelsten Winkel. Connor versuchte sich unsichtbar zu machen; er versteckte sich im Schatten, war ruhig und wachsam und stets fluchtbereit. Es war, als halte das ganze Haus den Atem an und warte darauf, dass der Stiefel dröhnte, die Faust sich hob.
Seine Mum versuchte ihn zu beschützen. Sie hatte Prügel und Tritte auf sich genommen und ihn mit ihrem geschundenen Körper gedeckt, obwohl ihr Bauch dick war von einem neuen Geschwisterchen. Granny schrie, aber seine
Weitere Kostenlose Bücher