Die Farm am Eukalyptushain
Drängelei. »Lass es einfach gut sein, Mum.« Müde fuhr sie sich mit den Fingern durch das Haar. »Wir werden uns nie einig. Was soll’s also?«
»Ich bin deine Mutter«, sagte Jeanette. »Es ist meine Pflicht, mir Sorgen um dich zu machen.«
»Ich weiß«, räumte Harriet ein. »Aber wenn du dir wirklich Sorgen machen würdest, könntest du nicht wollen, dass ich Jeremy heirate, nur um ein Haus und ein Boot und ein dickes Bankkonto zu kriegen. Ich liebe ihn nicht.«
»Hmm. Was hat das mit Liebe zu tun?« Jeanette beäugte sie mit schmalen Augen. »Bei einer Ehe geht es nur um Sicherheit, und die würde Jeremy dir bieten.«
Darauf hätte Harriet eine Menge entgegnen können, doch sie hatte keine Lust mehr zum Streiten. Mum sorgte sich wahrscheinlich wirklich um sie, aber Harriet hatte den Verdacht, dass es ihr vielleicht nur um Enkelkinder ging. Alle ihre Freundinnen hatten welche, und Jeanette fühlte sich offensichtlich ausgeschlossen aus dem Kreis der vernarrten Großmütter.
Seufzend wandte Harriet sich ab und goss Kaffee ein. Mum hatte Dad am Vorabend ihres fünfundzwanzigsten Geburtstags geheiratet. Harriet war genau neun Monate später zur Welt gekommen, und nachdem sie ihren Teil damit als erledigt betrachtethatte, war Jeanette zu ihrer Karriere als Tänzerin zurückgekehrt und hatte dabei das Konto ihres reichen Gatten nach besten Kräften geplündert.
Brian Wilson hatte sein Vermögen damit verdient, Ölfelder mit Anlagen und Maschinen auszurüsten, und Jeanette hatte unverhohlen zugegeben, dass sie ihn zielstrebig geangelt hatte. Er war ein liebevoller Vater gewesen, wenn seine Zeit und die Geschäfte es erlaubt hatten, doch in seiner Ehe war er nicht glücklich gewesen, und die Streitereien zwischen ihm und Jeanette waren oft hitzig geworden. Harriet war zehn Jahre alt gewesen, als er bei einer dieser wütenden Auseinandersetzungen mit einem tödlichen Herzinfarkt zusammengebrochen war. »Ich möchte lieber glücklich sein«, sagte Harriet leise. »Sicherheit wird oft stark überschätzt.«
Jeanette rauchte ihre Zigarette. Ihr Schweigen sagte mehr als tausend Worte.
Harriet blieb vor der Glaswand stehen und schaute hinaus auf den Circular Quay. Es war noch früh am Morgen, und schon jetzt wurde ihr der Tag lang. Sie bereute, dass sie auf dem Weg ins Büro diesen Besuch gemacht hatte; sie war aus Gewohnheit hergekommen, um ihrer Mutter die letzten Neuigkeiten zu berichten und zu sehen, ob es ihr gut ging. Und nun hatte sie noch ein besonders heikles Thema anzusprechen – und sie hatte keine Ahnung, wie sie das anfangen sollte.
Jeanette hatte vom ersten Augenblick an Abneigung gegen Rosa und Belinda gezeigt und sich geweigert, Harriets Freundschaft mit den beiden zur Kenntnis zu nehmen. Sie betrachtete die beiden Mädchen als falschen Umgang für ihre Tochter und hatte ihr Bestes getan, die engen Bande zwischen den dreien zu sabotieren. Aber Harriet wollte morgen für zwei Wochen nach Belvedere fahren, und ihre Abwesenheit erforderte eine Erklärung.
Sie starrte aus dem Fenster und wartete auf eine Inspiration.Das Penthouse-Apartment bot Aussicht auf das Panorama des neu gestalteten Circular Quay. Sie sah die Stadt mit den eleganten Glashochhäusern und den zierlichen viktorianischen Kirchtürmen und das anmutig geschwungene, segelförmige Dach des Opernhauses. Im Hafen herrschte bereits Hochbetrieb; Ausflugsschiffe und Raddampfer kreuzten zwischen den Wassertaxis. Luxusyachten wiegten sich an ihren Liegeplätzen jenseits des Botanischen Gartens, und Ibisse mit schwarzen Hälsen und Köpfen und langen Schnäbeln suchten sich ihren Weg durch das Treibgut in der Uferzone und auf dem Rasen der Parkanlagen.
Mit der Eröffnung der Oper war dieser Teil Sydneys in den achtziger Jahren erneuert worden. Verschwunden waren die alten Docks, die Lagerschuppen und das über lange Zeit gewachsene Labyrinth des alten Hafens, und an seine Stelle waren blitzendes Glas und kühler Chrom getreten. Eine Café-Szene hatte sich breit gemacht. Kleine Tische standen unter bunten Sonnenschirmen rings um den hufeisenförmigen Hafen, und das Geschäft der teuren Boutiquen und Luxushotels blühte. Am Wochenende sorgten Straßenmusikanten für die Unterhaltung der Besuchermassen, und selbst die winzigen Häuser im historischen Viertel von The Rocks waren renoviert und frisch gestrichen worden, um das Publikum auf die Märkte zu locken.
Zur Linken spannte sich die Harbour Bridge im Bogen über das Wasser; sie reichte vom
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