Die Farm
gezeigt, in dem er gelebt hatte. Außer spanisch sprach er auch noch einen indianischen Dialekt, was mich ungeheuer faszinierte.
Mr Durbin stand unter dem Baum, die Mexikaner saßen im Gras um ihn herum. Er trug einen weißen Anzug und einen weißen Strohhut, und seine Stimme drang bis in die Kirche und war dort fast ebenso laut zu hören wie die des alten Bruder Akers über den Lautsprecher. Ricky hatte einmal - an einem Sonntag während des Abendessens - behauptet, dass Mr Durbin über wesentlich mehr gesunden Menschenverstand verfüge als Bruder Akers, und damit wieder einmal für Ärger gesorgt. Es war eine Sünde, den eigenen Prediger zu kritisieren, zumindest wenn man es laut tat.
Ich saß am Ende der Bank neben dem Fenster und sah und hörte Mr Durbin zu. Ich verstand kein Wort, aber ich hörte, dass er spanisch langsamer als die Mexikaner sprach. Sie redeten so schnell, dass ich mich oft fragte, wie sie einander verstanden. Er sprach fließend und bedachtsam und mit einem unüberhörbaren Arkansas-Akzent. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was er sagte, war er fesselnder als Bruder Akers.
Da sich so viele Menschen eingefunden hatten, war es keine Überraschung, dass der Gottesdienst ein Eigenleben entwickelte und zu einem Marathon wurde. Wenig Leute, kurze Predigt. Viele Leute wie an Ostern, am Muttertag oder zum Herbstpicknick und Bruder Akers verspürte das Bedürfnis zu einem großen Auftritt. Irgendwann während seiner weitschweifigen Ausführungen begann Mr Durbin sich zu langweilen. Er ignorierte die Botschaft, die aus der Kirche übertragen wurde, und gab seine eigene Predigt zum Besten.
Als Bruder Akers innehielt, um Luft zu schöpfen, predigte Mr Durbin weiter. Und als Bruder Akers Höllenfeuer und Schwefeldämpfe beschwor, ruhte sich Mr Durbin bei einem Glas Wasser aus. Er setzte sich zu den Mexikanern auf den Boden und wartete, bis das Geschrei in der Kirche ein Ende fand.
Auch ich wartete. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich von dem Essen träumte, das wir bald zu uns nehmen würden - voll beladene Platten mit Brathuhn und Berge hausgemachter Eiscreme.
Die Mexikaner warfen verstohlene Blick auf die Kir-chenfenster. Sie dachten bestimmt, dass Bruder Akers verrückt geworden war. Entspannt euch, hätte ich ihnen am liebsten gesagt, das ist ganz normal.
Wir sangen zum Abschluss fünf Strophen von »Just As I Am«.
Da sich niemand erhob, musste Bruder Akers uns widerwillig entlassen. An der Tür stieß ich auf Dewayne, und wir rannten zusammen die Straße entlang zum Baseballfeld, um nach den Methodisten zu sehen. Sie waren natürlich schon da; sie dienten Gott nie so lange wie wir.
Hinter dem Fängerzaun, unter den drei Ulmen, die schon eine Million ins Aus geschlagener Bälle gefangen hatten, wurde das Essen auf Picknicktischen angerichtet, die mit rotweiß karierten Tischdecken bedeckt waren. Die Methodisten liefen herum, Männer und Kinder brachten das Essen, die Frauen arrangierten es auf den Tischen. Ich fand Pearl Watson und begrüßte sie. »Ist Bruder Akers immer noch nicht fertig?«, fragte sie grinsend.
»Er hat uns gerade rausgelassen«, sagte ich. Sie gab Dewayne und mir jeweils einen Schokokeks. Ich hatte meinen mit zwei Bissen gegessen.
Schließlich kamen die Baptisten und wurden mit einem Chor von »Hallo«, »Wo wart ihr so lange?« und »Was hat euch aufgehalten?« begrüßt. Personenwagen und Pick-ups wurden Stoßstange an Stoßstange entlang der Zäune um das Feld geparkt. Mindestens ein bis zwei würden von Bällen getroffen werden, die ins Aus flogen. Zwei Jahre zuvor war Mr Wilber Shiffletts brandneuer Chrysler seiner Windschutzscheibe verlustig gegangen, als Ricky einen Homerun über den Zaun am linken Feldrand schlug. Der Krach war sensationell gewesen
- ein lauter Aufprall, dann das Bersten von Glas. Aber Mr Shifflett hatte Geld, deswegen war niemand allzu bekümmert gewesen. Er kannte das Risiko, wenn er seinen Wagen dort abstellte. Auch damals hatten uns die Methodisten besiegt, sieben zu fünf, und Ricky war der Meinung gewesen, dass der Manager, Pappy, im dritten Inning den Werfer hätte auswechseln sollen.
Woraufhin sie eine Weile nicht mehr miteinander sprachen.
Die Tische waren bald mit großen Schüsseln mit Gemüse, Platten mit gebratenen Hühnerteilen und Körben mit Maisbrot, Brötchen und anderen Brotsorten bedeckt. Unter der Aufsicht der Frau des Methodistenpfarrers, Mrs Orr, wurde das Essen hier und dort verteilt, bis eine gewisse Ordnung Gestalt
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