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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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verheiratet war, hatte sie die Kunst des Schweigens erlernt. Sie konnte lange gehen oder schaukeln und so gut wie nichts dabei reden.
    »Wie schmeckt der Kaffee?«, fragte sie kaum hörbar im Sturm.
    »Gut, Gran.«
    »Was möchtest du zum Frühstück?«
    »Brötchen.«
    »Dann werde ich uns Brötchen backen.«

    Die sonntägliche Routine war etwas entspannter als sonst.
    Normalerweise schliefen wir länger, heute hatte uns der Regen allerdings früh geweckt. Zum Frühstück verzichteten wir auf Eier und Schinken und gaben uns mit Brötchen und Sirup zufrieden. Die Arbeit in der Küche war ein bisschen leichter.
    Es war schließlich ein Tag der Ruhe.
    Die Schaukel bewegte sich langsam vor und zurück, blieb dabei an Ort und Stelle, die rostigen Ketten quietschten leise über unseren Köpfen. Ein Blitz schlug jenseits der Straße ein, irgendwo auf dem Land der Jeters.
    »Letzte Nacht habe ich von Ricky geträumt«, sagte sie.

    »Ein schöner Traum?«
    »Ja, sehr schön. Ich habe geträumt, dass der Krieg plötzlich vorbei ist, aber sie haben vergessen, es uns zu sagen. Und eines Abends sitzen wir hier auf der Veranda und hören Radio, und dort auf der Straße läuft ein Mann auf uns zu. Es ist Ricky. Er trägt seine Uniform und ruft uns zu, dass der Krieg vorbei ist.«
    »Ich würde auch gern so etwas träumen«, sagte ich.
    »Ich glaube, der liebe Gott will uns damit etwas sagen.«
    »Dass Ricky nach Hause kommt?«
    »Ja. Vielleicht nicht sofort, aber der Krieg wird bald vorbei sein. Eines Tages schauen wir auf und sehen ihn über den Hof gehen.«
    Ich schaute auf den Hof. Pfützen und Rinnsale begannen sich zu bilden und in Richtung der Spruills zu fließen. Es war fast kein Gras mehr da, und der Wind wehte die ersten vertrockneten Blätter unserer Eichen davon.
    »Ich bete jeden Abend für Ricky, Gran«, sagte ich ziemlich stolz.
    »Ich bete jede Stunde für ihn«, sagte sie mit einer Spur von Feuchtigkeit in den Augen.
    Wir schaukelten und blickten in den Regen. In Gedanken sah ich Ricky selten als Soldaten in Uniform vor mir, mit einem Gewehr, wie er unter Beschuss von einem sicheren Ort zum anderen sprang. Vielmehr erinnerte ich mich an ihn als an meinen besten Freund, meinen Onkel, der mehr wie ein Bruder war, ein Kumpel mit einer Angel oder einem Baseballhandschuh. Er war erst neunzehn, ein Alter, das mir sowohl alt als auch jung erschien.
    Bald darauf stand meine Mutter in der Tür. Auf das samstägliche Bad folgte das sonntägliche Schrubben, ein kurzes, aber brutales Ritual, ausgeführt von einer besessenen Frau, die meinen Hals und meine Ohren wund rieb.
    »Wir müssen uns fertig machen«, sagte sie. Ich konnte den Schmerz bereits spüren.
    Ich folgte Gran in die Küche, um noch Kaffee zu trinken.
    Pappy saß am Küchentisch, las in der Bibel und bereitete die Lektion für die Sonntagsschule vor. Mein Vater stand auf der hinteren Veranda, beobachtete das Gewitter und blickte in Richtung des fernen Flusses. Zweifellos machte er sich Sorgen, dass er über die Ufer trat.

    * * *
Es hatte aufgehört zu regnen, lange bevor wir zur Kirche aufbrachen. Die Straßen waren aufgeweicht, und Pappy fuhr noch langsamer als gewöhnlich. Wir tuckerten dahin, schlitterten manchmal in den Furchen und Pfützen der alten Schotterstraße. Mein Vater und ich saßen hinten und hielten uns an der Ladefläche fest, meine Mutter und Gran fuhren vorne mit, wir trugen alle unseren Sonntagsstaat. Der Himmel war erneut wolkenlos, die Sonne stand über unseren Köpfen und trocknete bereits den nassen Boden. Feuchtigkeit schwebte träge über den Baumwollsträuchern.
    »Wird heiß werden heute«, sagte mein Vater und wiederholte damit die Wettervorhersage, die er jeden Tag von Mai bis September äußerte.
    Als wir die Landstraße erreichten, standen wir auf und lehnten uns an die Fahrerkabine, damit uns der Wind ins Gesicht blasen konnte. So war es viel kühler. Die Felder waren menschenleer; nicht einmal den Mexikanern war es gestattet, am heiligen Sonntag zu arbeiten. Während jeder Pflücksaison waren Gerüchte von heidnischen Farmern in Umlauf, die sich sonntags zum Pflücken auf die Felder schlichen, aber ich hatte solch sündiges Verhalten noch nie mit eigenen Augen gesehen.

    Die meisten Dinge waren sündig im ländlichen Arkansas, besonders wenn man Baptist war. Ein Großteil unseres sonntäglichen Gottesdienstes bestand aus der Predigt von Reverend Akers, einem lauten, zornigen Mann, der zu viel Zeit damit verbrachte, neue

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