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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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und - am wichtigsten - nichts gegen die Gesellschaft eines Siebenjährigen hatte.
    Mitten auf der Brücke blieben wir stehen und blickten vorsichtig über den Rand ins Wasser. Ich erzählte ihr von den Welsen, wie groß sie wurden und dass sie sich von Abfall ernährten, und von dem Vierundvierzigpfünder, den Ricky gefangen hatte. Sie hielt mich an der Hand, als wir auf die andere Seite gingen, nicht weil sie mich beschützen wollte, sondern weil sie mich mochte.
    Der Weg zu den Latchers war stockfinster. Wir kamen erheblich langsamer voran, weil wir versuchten, das Haus zu sehen, ohne vom Weg abzukommen. Da sie keinen Strom hatten, gab es keine Lichter, ihre Flussbiegung war schwarz.
    Tally hörte etwas und blieb wie angewurzelt stehen. Stimmen in der Ferne. Wir stellten uns an den Rand eines Baumwollfelds und warteten geduldig auf den Mond. Ich zeigte dahin und dorthin, versuchte zu erraten, wo ihr Haus war. Wir hörten Kinderstimmen, zweifellos die Brut der Latchers.
    Schließlich spielte der Mond mit, und wir konnten die Landschaft erkennen. Der dunkle Schatten des Hauses war genau so weit entfernt wie unsere Scheune von unserer hinteren Veranda, ungefähr einhundertzwanzig Meter, so weit, wie das Schlagmal von der Spielfeldbegrenzung in Sportsman’s Park entfernt war. Die meisten wichtigen Entfernungen in meinem Leben wurden als Abstand von dieser Begrenzung gemessen. Pappys Pick-up stand vor dem Haus.
    »Wir gehen besser hier rum«, sagte sie leise, als hätte sie schon oft solche Exkursionen angeführt. Wir tauchten zwischen den Baumwollsträuchern unter und folgten einer Reihe, dann der nächsten, während wir uns wortlos in einem großen Halbkreis durch ihr Baumwollfeld bewegten. Meistens war die Baumwolle fast so groß wie ich. Als wir zu einer nur spärlich bewachsenen Stelle kamen, blieben wir stehen und blickten uns um. Auf der Rückseite des Hauses sahen wir einen schwachen Lichtschein in dem Raum, in dem Libby lag. Als wir in genau östlicher Richtung davor standen, schlichen wir quer durch die Baumwollreihen direkt auf das Haus zu.
    Die Chance, dass uns jemand bemerkte, war gering. Niemand rechnete mit uns, sie hatten anderes im Kopf. Die Baumwollreihen waren dicht und dunkel; ein Kind konnte auf Händen und Knien durch die Sträucher kriechen, ohne entdeckt zu werden.

    Meine Komplizin bewegte sich rasch, so geschickt wie die Soldaten, die ich im Kino gesehen hatte. Sie blickte unverwandt zum Haus, schob vorsichtig die Zweige beiseite und bahnte mir einen Weg. Wir sprachen kein Wort und ließen uns Zeit, näherten uns vorsichtig dem Haus von der Seite. Die Baumwolle wuchs bis zu ihrem Hof, und als wir noch zehn Reihen entfernt waren, blieben wir stehen und verschafften uns einen Überblick über die Lage.
    Wir hörten die Latcher-Kinder in der Nähe unseres Pick-ups, der so weit wie möglich von der Veranda entfernt geparkt war.
    Mein Vater und Mr Latcher saßen auf der Ladefläche und unterhielten sich leise. Die Kinder waren einen Augenblick still, dann redeten sie alle gleichzeitig. Alle schienen zu warten, und nach einer Weile hatte ich den Eindruck, dass sie sich schon lange in Geduld übten.
    Vor uns war das Fenster, und unser Schlupfwinkel befand sich näher am Ort der Handlung als die Latchers und mein Vater.
    Und wir waren wunderbar versteckt; selbst ein Scheinwerfer auf dem Dach des Hauses hätte uns nicht gefunden.
    Auf einem Tisch gleich hinter dem Fenster brannte eine Kerze.
    Die Frauen gingen herum, und den Schatten, die auftauchten und verschwanden, nach zu urteilen, waren noch mehr Kerzen im Zimmer verteilt. Das Licht war dämmrig, die Schatten dunkel.
    »Gehen wir noch ein Stück weiter«, flüsterte Tally.
    Mittlerweile waren fünf Minuten vergangen, und obwohl ich Angst hatte, glaubte ich nicht, dass wir erwischt würden.
    Wir krochen drei Meter weiter und kauerten uns erneut auf den Boden.
    »Das ist nah genug«, sagte ich.
    »Vielleicht.«
    Der Lichtschein aus dem Zimmer fiel auf den Erdboden vor dem Haus. Das Fenster war weder mit einem Fliegengitter noch mit Vorhängen versehen. Während wir warteten, beruhigte sich mein Herzschlag und meine Atmung wurde normal. Meine Sinne konzentrierten sich auf unsere Umgebung, und ich begann die Geräusche der Nacht wahrzunehmen - den Chor der Grillen, die am Fluss quakenden Ochsenfrösche, die tiefen, murmelnden Stimmen der Männer in der Ferne.
    Auch meine Mutter, Gran und Mrs Latcher sprachen sehr leise.
    Wir hörten sie, verstanden

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