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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sie aber nicht.
    Als alles ruhig und still war, stieß Libby einen grauenhaften Schrei aus, und ich wäre vor Schreck beinahe aus der Haut gefahren. Ihr gequälter Schrei zog über die Felder, und ich war überzeugt, dass sie gestorben war. Auf dem Pick-up herrschte Schweigen. Sogar die Grillen schienen kurz verstummt zu sein.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Eine Wehe«, sagte Tally, ohne den Blick vom Fenster zu wenden.
    »Was ist das?«
    Sie zuckte die Achseln. »Gehört dazu. Es wird noch schlimmer werden.«
    »Das arme Mädchen.«
    »Sie hat es so gewollt.«
    »Wie meinst du das?«, fragte ich.
    »Egal«, sagte sie.
    Ein paar Minuten lang war es still, dann hörten wir Libby weinen. Ihre Mutter und Gran versuchten, sie zu trösten. »Es tut mir so Leid«, sagte Libby immer wieder.
    »Alles wird gut werden«, sagte ihre Mutter.
    »Niemand wird es erfahren«, sagte Gran. Das war offensichtlich eine Lüge, aber vielleicht wurde es Libby davon ein bisschen leichter ums Herz.
    »Du wirst ein wunderschönes Baby bekommen«, sagte meine Mutter.

    Ein versprengter Latcher schlenderte heran, einer von mittlerer Größe, und schlich zum Fenster, so wie ich ein paar Stunden zuvor, Augenblicke bevor mich Percy mit dem Erdklumpen beinahe schwer verletzt hätte. Er oder sie - ich konnte es nicht erkennen - spähte durch das Fenster und bekam etwas zu sehen, aber plötzlich rief ein älteres Geschwister vom Eck des Hauses: »Lloyd, verschwinde von dem Fenster.«
    Sofort zog sich Lloyd zurück und hastete in der Dunkelheit davon. Sein Delikt wurde auf der Stelle Mr Latcher berichtet, und irgendwo in der Nähe wurde ihm grausam der Hintern versohlt. Dazu benutzte Mr Latcher einen Stock. Mehrmals sagte er: »Das nächste Mal nehme ich einen größeren Stock!«
    Lloyd hielt den tatsächlich benutzten für schlimm genug. Seine Schreie waren wahrscheinlich noch an der Brücke zu hören.
    Als die Züchtigung vorüber war, brüllte Mr Latcher: »Ich hab euch Kindern gesagt, ihr sollt hier bleiben und euch vom Haus fern halten!«
    Wir konnten den Zwischenfall nicht sehen, und das mussten wir auch nicht, um schwer beeindruckt zu sein.
    Aber noch mehr entsetzten mich die Härte und die Vielzahl der Schläge, die ich bekommen würde, sollte mein Vater herausfinden, wo ich mich in diesem Moment aufhielt. Ich wollte plötzlich nach Hause.
    »Wie lange dauert es, bis ein Baby geboren ist?«, flüsterte ich Tally zu. Falls sie müde war, ließ sie es sich nicht anmerken.
    Sie kniete auf dem Boden, vollkommen erstarrt, und wandte den Blick nicht vom Fenster.
    »Hängt davon ab. Das erste braucht immer lang.«
    »Wie lange braucht das siebte?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich fällt es einfach raus. Wer hat denn sieben Kinder?«

    »Libbys Mom. Sieben oder acht. Ich glaub, ihr fällt jedes Jahr eins raus.«
    Ich döste gerade ein, als die nächste Wehe einsetzte. Wieder erschütterte sie das Haus, dann folgten wie zuvor Weinen und beruhigende Worte. Anschließend war es erneut still, und mir wurde klar, dass das noch lange so weitergehen konnte.
    Als ich meine Augen nicht länger offen halten konnte, rollte ich mich auf dem warmen Boden zwischen zwei Baumwollreihen zusammen. »Meinst du nicht, dass wir gehen sollten?«, flüsterte ich.
    »Nein«, sagte sie bestimmt und ohne sich zu rühren.
    »Weck mich auf, wenn was passiert«, sagte ich.
    Tally wechselte die Haltung. Sie setzte sich im Schneidersitz und hob behutsam meinen Kopf in ihren Schoß. Dann massierte sie meine Schultern und meinen Kopf. Ich wollte nicht einschlafen, aber ich konnte nicht anders.

    * * *
Als ich erwachte, fand ich mich in einer seltsamen Welt wieder: Ich lag in einem Feld, in vollkommener Dunkelheit.
    Ich rührte mich nicht. Der Boden war nicht länger warm, und meine Füße waren kalt. Ich schlug die Augen auf, starrte nach oben und war zu Tode erschrocken, bis ich merkte, dass ich von Baumwollsträuchern umgeben war. In der Nähe hörte ich drängende Stimmen. Jemand sagte: »Libby«, und plötzlich erinnerte ich mich, wo ich war. Ich tastete nach Tally, aber sie war verschwunden.
    Ich stand auf und spähte durch die Baumwolle. Die Szenerie hatte sich nicht verändert. Das Fenster war noch immer offen, nach wie vor brannten Kerzen, aber meine Mutter, Gran und Mrs Latcher taten sehr geschäftig.
    »Tally!«, flüsterte ich eindringlich und zu laut, wie ich meinte, aber ich hatte noch mehr Angst als zuvor.
    »Pst!«, antwortete sie. »Hier bin ich.«
    Ich sah gerade

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