Die Farm
an aus Angst, dass sie uns hören würden. Aber sie dachten nicht an Eindringlinge. Sie sahen zu dem offenen Fenster, still vor Staunen.
Mrs Latcher brachte das Baby und beugte sich vor, damit es seine Familie kennen lernen konnte. Es erinnerte mich an einen Baseballhandschuh; es war fast so dunkel und in ein Handtuch gewickelt. Einen Moment lang war es still und wirkte ganz und gar unbeeindruckt von dem Haufen Leute, die es betrachteten.
»Wie geht’s Libby?«, fragte einer von ihnen.
»Ihr geht’s gut«, sagte Mrs Latcher.
»Können wir sie sehen?«
»Nein, jetzt nicht. Sie ist zu müde.« Sie drehte sich mit dem Baby um, und die anderen Latchers kehrten langsam vor das Haus zurück. Meinen Vater sah ich nicht, aber ich wusste, dass er sich irgendwo in der Nähe des Pick-ups aufhielt. Selbst bare Münze hätte ihn nicht dazu gebracht, ein uneheliches Kind anzuschauen.
Ein paar Minuten lang waren die Frauen noch so beschäftigt wie vor der Geburt, aber dann fand ihre Arbeit langsam ein Ende.
Ich erwachte aus meinem Trancezustand und dachte daran, wie weit wir von zu Hause weg waren. »Wir müssen gehen, Tally!«, flüsterte ich nervös. Sie war so weit, und ich folgte ihr.
Wir liefen zwischen den Baumwollpflanzen hindurch, bis wir ein ganzes Stück weit vom Haus entfernt waren, dann wandten wir uns nach Süden und rannten an den Reihen entlang. Wir blieben stehen, um uns zu orientieren. Das Licht aus dem Fenster war nicht mehr zu sehen. Der Mond war verschwunden. Vom Haus der Latchers war nichts mehr zu erkennen. Es herrschte totale Dunkelheit.
Wir wandten uns nach Westen, schlugen uns wieder quer durch die Reihen, schoben die Pflanzen beiseite, damit sie uns das Gesicht nicht zerkratzten. Dann waren die Reihen zu Ende und wir fanden den Weg, der zur Straße führte. Meine Füße und Beine schmerzten, aber wir hatten keine Zeit zu verlieren.
Wir rannten zur Brücke. Tally wollte auf das dahinströmende Wasser hinunterschauen, aber ich trieb sie an.
»Jetzt können wir gehen«, sagte sie auf unserer Seite der Brücke, und wir hörten auf zu laufen. Wir gingen schweigend, versuchten beide, Luft zu schöpfen. Wir waren hundemüde; das Abenteuer war es wert gewesen, aber jetzt mussten wir den Preis dafür bezahlen. Wir näherten uns unserer Farm, als wir in unserem Rücken ein Brummen hörten. Scheinwerfer!
Auf der Brücke! Entsetzt rannten wir los. Tally hätte mit Leichtigkeit schneller laufen können als ich, was mich gedemütigt hätte, hätte ich Zeit gehabt, mich zu schämen, aber sie bremste sich, damit sie mich nicht verlor.
Ich wusste, dass mein Vater nicht schnell fahren würde, nicht nachts auf unserer Schotterstraße, wenn Gran und meine Mutter dabei waren, trotzdem kamen die Scheinwerfer immer näher. Nahe am Haus sprangen wir über einen kleinen Graben und liefen an einem Feld entlang. Das Motorengeräusch wurde lauter.
»Ich warte hier, Luke«, sagte sie und blieb am Rand unseres Hofs stehen. Der Pick-up hatte uns fast eingeholt. »Du läufst zur Veranda hinter dem Haus und schleichst dich rein. Ich warte, bis sie im Haus sind. Beeil dich.«
Ich lief weiter, raste wie der Blitz um das Haus, als der Wagen auf den Hof fuhr. Ich schlich lautlos in die Küche, dann in Rickys Zimmer, wo ich nach einem Kopfkissen griff und mich auf den Boden neben dem Fenster legte. Ich war zu schmutzig und zu nass geschwitzt, um mich ins Bett zu legen, und ich betete, dass sie zu müde wären, um nach mir zu sehen.
Sie kamen leise in die Küche. Flüsternd zogen sie Schuhe und Stiefel aus. Ein Lichtstrahl fiel schräg in mein Zimmer. Ihre Schatten bewegten sich hindurch, aber niemand sah nach dem kleinen Luke. Innerhalb von Minuten lagen sie im Bett, und das Haus war wieder still. Ich hatte vor, ein bisschen zu warten, mich dann in die Küche zu stehlen und mir mit einem Waschlappen Gesicht und Hände zu waschen. Anschließend würde ich mich ins Bett legen und für alle Ewigkeit schlafen.
Sollten sie mich hören, würde ich einfach sagen, dass ich bei ihrer Rückkehr aufgewacht wäre.
Diesen Plan schmiedete ich noch, bevor ich endgültig einschlief.
I ch weiß nicht, wie lange ich schlief, aber es schienen nur Minuten gewesen zu sein. Pappy kniete vor mir und fragte mich, warum ich auf dem Boden lag. Ich versuchte zu antworten, brachte aber nichts heraus. Ich war gelähmt vor Müdigkeit.
»Sind nur wir beide«, sagte er. »Die anderen schlafen noch.«
Seine Stimme troff vor Verachtung.
Noch immer
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