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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sehen«, sagte er.
    Der Jahrmarkt bestand aus einer wandernden Truppe Zigeuner mit einem lustigen Akzent, die im Winter in Florida lebten und im Herbst, wenn die Ernte in vollem Gang war und die Leute Geld in den Taschen hatten, die kleinen Farmstädtchen abklapperten. Normalerweise kamen sie unerwartet an einem Donnerstag an, schlugen auf dem Baseballfeld unerlaubterweise ihre Zelte auf und blieben über das Wochenende. Nichts erregte Black Oak so sehr wie der Jahrmarkt.
    Jedes Jahr war er anders. Einmal brachten sie einen Elefanten und eine riesige Karettschildkröte mit. Dann wieder gab es überhaupt keine Tiere, sondern nur Menschen mit Auffälligkeiten - stolpernde Zwerge, das Mädchen mit sechs Fingern an jeder Hand, der Mann mit drei Beinen. Aber jedes Jahr gab es ein Riesenrad, ein Kinderkarussell und zwei oder drei andere Fahrbetriebe, die quietschten und ratterten und alle Mütter in Angst und Schrecken versetzten. Das Kettenkarussell war so ein Fahrbetrieb gewesen, ein Kreis mit an Ketten hängenden Sitzen, der sich schneller und schneller drehte, bis die Fahrgäste hoch über dem Erdboden dahinflogen und schrieen und darum baten, das Karussell anzuhalten. Ein paar Jahre zuvor war in Monette eine Kette gerissen, ein kleines Mädchen wurde durch die Luft geschleudert und knallte gegen einen Wohnwagen. In der nächsten Woche stand das Kettenkarussell in Black Oak, mit neuen Ketten, und die Leute standen Schlange, um damit zu fahren.
    Es gab Stände, wo man mit Ringen oder Pfeilen warf oder mit Pistolen schoss, um Preise zu gewinnen. Bei manchen Jahrmärkten waren Wahrsager dabei, bei anderen Fotografen, bei wieder anderen Zauberer. Alle waren laut und farbenprächtig und aufregend. Die Kunde verbreitete sich schnell im ganzen Distrikt, die Menschen kamen scharenweise, und in ein paar Stunden würde Black Oak überlaufen sein. Ich konnte es kaum erwarten.
    Vielleicht, so dachte ich, wäre die Aufregung wegen des Jahrmarkts größer als die Neugier auf Libby Latcher. Ich schlang mein Brötchen hinunter und lief nach draußen.
    »In der Stadt ist Jahrmarkt«, flüsterte ich Tally zu, als wir uns am Traktor trafen, um auf die Felder zu fahren.
    »Fahrt ihr alle hin?«, fragte sie.
    »Na klar. Niemand versäumt den Jahrmarkt.«
    »Ich weiß ein Geheimnis«, flüsterte sie und sah sich rasch um.
    »Was für eins?«
    »Ich hab’s gestern Abend gehört.«
    »Wo hast du es gehört?«
    »Neben eurer Veranda vor dem Haus.«
    Ich mochte nicht, wie sie mich hinhielt. »Was hast du gehört?«
    Sie beugte sich noch näher zu mir. »Es ging um Ricky und dieses Latcher-Mädchen. Du hast einen neuen Cousin.« Ihre Worte waren grausam, ihr Blick war hinterhältig. Das war nicht die Tally, die ich kannte.
    »Was hast du dort gemacht?«, wollte ich wissen.
    »Geht dich nichts an.«
    Pappy trat aus dem Haus und steuerte auf den Traktor zu.
    »Erzähl es besser niemandem«, sagte ich zwischen zu-sammengebissenen Zähnen.

    »Wir behalten doch alle unsere Geheimnisse für uns, weißt du noch?«, sagte sie und entfernte sich. »Ja.«
    Ich aß hastig zu Mittag und eilte dann hinaus, um geschrubbt und gewaschen zu werden. Meine Mutter wusste, dass ich so schnell wie möglich in die Stadt wollte, und verschwendete keine Zeit.
    Alle zehn Mexikaner drängten sich mit mir und meinem Vater auf die Ladefläche des Pick-ups, und wir fuhren los. Cowboy hatte die ganze Woche mit gebrochenen Rippen Baumwolle gepflückt, was Pappy und mein Vater sehr wohl bemerkt hatten. Sie bewunderten ihn. »Diese Leute sind hart im Nehmen«, hatte Pappy gesagt.
    Die Spruills wuselten herum und versuchten, uns einzuholen.
    Tally hatte die Kunde vom Jahrmarkt verbreitet, und sogar Trot schien sich zielstrebig zu bewegen.
    Als wir über den Fluss fuhren, blickte ich unverwandt den Feldweg entlang, der zum Haus der Latchers führte, aber ihre kleine Hütte war nicht zu sehen. Ich schaute zu meinem Vater. Auch er sah hin, sein Blick hart, nahezu wütend. Wie konnte es dazu kommen, dass diese Leute in unser Leben eindrangen?
    Wir krochen die Schotterstraße entlang, und bald hatten wir die Felder der Latchers hinter uns gelassen. Als wir die Landstraße erreichten, träumte ich wieder vom Jahrmarkt.
    Unser Fahrer ließ sich jedoch nicht drängen. Da der Wagen mit Menschen voll beladen war, bezweifelte ich, dass er siebenunddreißig Meilen schaffen würde, und Pappy trieb ihn bestimmt nicht an. Mir schien, wir waren eine Stunde unterwegs.
    Sticks Streifenwagen

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