Die Fastnachtsnarren. Humoresken
sonst stehe ich für Nichts!«
Jungfer Adelinchen war im höchsten Grade abergläubisch; das wußte Jeder, der sie kannte, und so war es gar nicht zu verwundern, daß sie an der Wahrheit Dessen, was ihr der Bruder Lustig sagte, nicht den mindesten Zweifel hegte. Es gab für sie wohl kaum eine schwierigere Aufgabe, als die abendliche Wanderung nach Neudorf; aber sich am hellen, lichten Tage mit der Ziege sehen zu lassen, das wäre ihrem jungfräuligen Zartgefühle gradezu unmöglich gewesen. Es hielt sie wie bei den Haaren zurück; aber der »alte Knaster,« der Tyrann, verstand keinen Spaß, und so mußte sie trotz alles innern Wiederstrebens doch endlich sich verabschieden und den sauern und gefahrvollen Gang antreten.
Grad auf der Hälfte des Weges führte die Straße einen steilen Berg hinan, auf welchem sich zur Erleichterung des Vorspanns ein Einkehrhaus befand, mit dessen Besitzer, wie wir gesehen haben, die Wirthschafterin nahe verwandt war. Hier erholte sie sich eine kurze Weile von der Anstrengung, welche ihr das Ersteigen der Anhöhe verursacht hatte. Wiederholt schon war ihr der Gedanke gekommen, den Schwager nach Neudorf zu schicken und bei der Schwester seine Rückkehr zu erwarten, und obwohl sie recht gut wußte, daß er keine große Sympathie für sie hege, erzählte sie das Geschehene und trug ihm dann ihre Bitte vor. Leider aber hatte dieselbe nicht den mindesten Erfolg. Der Wirth war ein Schalk und außerdem ein guter Freund vom Studentenkarl, welcher heut am Nachmittage bei ihm vorgesprochen war und lange mit ihm geflüstert und gelacht hatte. So war also auch ihre letzte Hoffnung auf Hilfe geschwunden, und es blieb ihr nichts übrig, als weiter zu gehen.
Trotz ihrer außerordentlichen Furchtsamkeit und des heiligen Bartholomäustages kam sie glücklich in Neudorf an. Natürlich erstaunte man bei dem Schulzen nicht wenig über den seltsamen Besuch und den noch seltsameren Zweck desselben, und statt des erwarteten Mitleides wurde ihre lamentable Erzählung mit einem schallenden Gelächter belohnt, in welches sogar sämmtliche Dienstboten und Kinder mit einstimmten.
»Die Ziege ist mir nicht feil,« meinte der Schulze, indem er sich die Lachthränen aus den Augen wischte; »der Prinz aber soll sie haben, und zwar umsonst. Ich hoffe, daß er das Geschenk nicht zurückweisen wird. Kommen Sie, Fräulein, und sehen Sie sich das Thier einmal an, ob es Ihnen gefällt!«
Sie folgte ihm in den Stall, wo eine Magd grad beschäftigt war, die Ziege zu melken. Bei allen ihren persönlichen Eigenthümlichkeiten war Jungfer Adelinchen als eine sehr tüchtige Wirthschafterin bekannt, und so sah sie auch jetzt gleich auf dem ersten Blicke, daß das Geschenk des wohlhabenden Bauers ein sehr annehmbares sei.
»Die Ziege ist gut,« meinte sie, nachdem sie wie der gewandteste Fleischer die zukünftige Milchspenderin des »alten Knasters« in Griff und Tax genommen hatte. »Ich werde sie mitnehmen und dem Herrn sagen, daß er sie von Euch zum Geschenk erhalten soll. Erklärt er sich nicht damit einverstanden, so können Sie den Preis ja noch immer bestimmen. Sie haben doch wohl Jemanden, der sie mir bis an die ersten Häuser von Wildauen führen könnte? Er soll ein gutes Trinkgeld haben.«
Es war der letzte Versuch, den sie machte, sich den schweren Abend zu erleichtern, aber auch er mißglückte vollständig, denn der Schulze schüttelte mit einem höchst zweideutigen Lächeln den Kopf und antwortete:
»Ja, Leute habe ich wohl genug, aber ich darf Ihnen Niemanden mitgeben. Sie haben ja vorhin ausdrücklich erzählt, daß der Herr befohlen hat, Sie in eigener Person sollen die Ziege holen, und da ich den Obersten kenne, so weiß ich was für ein Donnerwetter über mich ergehen würde, wenn ich gegen seinen Willen handelte. Das Thier ist sehr fromm und geduldig und wird Ihnen wenig Beschwerden machen. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit uns; vielleicht kommt der Mond bald heraus, und dann ist es ja ein wahrer Spaziergang von hier nach Wildauen!«
Es wurde eine Tasse Kaffee getrunken, und noch eine, und wieder eine; aber der Mond wollte nicht erscheinen, und so mußte sie schon ohne ihn den »wahren Spaziergang« unternehmen. Erst wollte die Ziege nicht so recht vorwärts, aber als die letzten Häuser des Dorfes hinter ihnen lagen, schien sie verständigere Gedanken zu fassen und trollte recht wacker neben ihrer neuen Herrin her, welche nun begann, die zurückgelegten Schritte sorgfältig zu zählen. Es war ein
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