Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
schwarz, mittelgroß und hat früher in der Polzdorfer Schmiede gestanden; ein Bock, der ihr ähnelt, wird sich leicht finden lassen.«
    »Gut, hier hast Du Geld. Nach dem Mittagsessen magst Du Dir den Spaß machen und den Leinweber einmal mit dem Viehhändler vertauschen. Aber wie gesagt, die Sache muß in aller Stille abgemacht werden; es darf Niemand ahnen, daß ein Bock bei uns steht, und deshalb bringst Du ihn nicht eher, als bis es vollständig dunkel geworden ist.« –
    So war es also ausgemacht, und so wurde es auch pünktlich besorgt. Als am Abende Jungfer Adelinchen ihre Wanderung nach Neudorf antrat und bei Schmidts, an deren Wohnung der Weg vorüber führte, erst einmal einkehrte, um ihrem bedrängten Herzen Luft zu machen, stak ein wunderschöner schwarzer, dreijähriger und mittelgroßer Ziegenbock in dem kleinen Schuppen, der sich an die Hinterseite des Hauses lehnte. Es war zu befürchten gewesen, daß er aus Verwunderung über den unverhofften Wohnungswechsel, den er erlitten hatte, in ein Selbstgespräch ausbrechen würde, welches seine Anwesenheit verrathen konnte, und so hatte man ihm die appetitlichsten Kräuter und das zarteste und saftigste Laubwerk servirt, um seinen Sprachwerkzeugen eine weniger gefährliche Beschäftigung zu geben.
    »Was wird meine Schwester sagen, wenn ich ihr erzähle, daß ich in dieser Dunkelheit noch nach Neudorf auf den Ziegenhandel muß!« meinte die zornige Wirthschafterin, nachdem sie sich über die Gefühle ihres beleidigten Herzens gehörig ausgesprochen hatte. »Und heut ist noch dazu der Tag des heiligen Bartholomäus, wo es im Busche und auf den Kreuzwegen nicht recht geheuer ist! Du meine Güte, jetzt sollte mir gar noch etwas Ueberirdisches zustoßen; da wäre das Unglück voll und ich könnte meine arme Seele nur gleich in Frieden fahren lassen! Mir ist der Samiel nur einmal im Theater erschienen, wo er doch mit dem Publikum eigentlich gar nichts zu schaffen hat, aber ich habe doch einen Schreck davon getragen, der mir über ein Vierteljahr lang nicht aus den Gliedern gekommen ist. Wenn mich der, der Gott steh mir bei unterwegs anfiele, ich wäre auf der Stelle des Todes und die Ziege mit, denn so ein armes Thier ist auch nicht ohne Herz und Gemüthe geschaffen.«
    »Was Ihre Frau Schwester betrifft,« antwortete der Student, »so braucht die ja von der Geschichte gar nichts zu erfahren; es ist besser, wenn man eine so unliebsame Sache ganz nur für sich behält. Und der Samiel, nun ja, der soll allerdings heut ganz bedeutend sein Wesen treiben, aber nicht mit den Menschen, sondern nur mit dem Gethier, welches nicht under Dach und Fach gehalten wird. Vor drei Jahren zu Bartholomäi hat der Ottendorfer Fleischer ein Kalb gekauft, und als er im Dunkeln nach Hause gekommen ist, hat er statt des Kalbes eine große sechsbeinige Katze hinter sich auf dem Wagen gehabt, die ihm in das Gesicht gesprungen ist, als er sie hat abladen wollen. Der Mann ist lange Zeit krank gewesen und geht nie wieder am Bartholomäustage zu Dorfe.«
    »Herr Jemine! Das ist ja fürchterlich! Wenn ich nun statt meiner Ziege einen achtbeinigen Drachen mit nach Hause brächte? Wir wären ja auf dem Schlosse alle mit einander verloren!«
    »Das wäre allerdings ein Unglück für die ganze Umgegend, denn so ein Lindwurm ist fast gar nicht umzubringen, nicht einmal mit Rattengift. Aber wenn Sie es richtig machen, kann Ihnen so Etwas ja gar nicht passiren.«
    »Nicht? O bitte, mein lieber Herr Karl, sagen Sie mir doch, wie man es machen muß!«
    »Man muß aller dreihundertdreiunddreißig Schritte einmal Halt machen und dreimal um das Thier, welches man zu transportiren hat, herumgehen; dann kann Einem gar nichts Ueberirdisches zustoßen.«
    »Auch nichts Unterirdisches?«
    »Nein; ich weiß das ganz genau, denn so steht es im siebenten Buche Mosis geschrieben.«
    »Ja, Sie sind ein gescheidter junger Herr, der gar Vieles studirt hat, wovon andre Leute keine Ahnung haben. Darf man denn unterwegs auch einmal einkehren? Wenn ich bei meinem kurzen Athem den fürchterlichen Neudorfer Berg hinaufsteige, so kann ich ganz gewiß nicht eher weiter, als bis ich mich ein Viertelstündchen verschnauft habe. Es ist ein wahres Glück, daß mein Schwager auf den Gedanken gekommen ist, oben eine Schänke hinzubauen; da kann man sich doch ausruhen, bevor es weiter geht!«
    »O ja, einkehren können Sie; wenigstens habe ich nirgends gelesen, daß es Schaden brächte. Aber verzählen dürfen Sie sich nicht,

Weitere Kostenlose Bücher