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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sieht sich den unbeschreiblichen Gefühlen seines Herzens vollständig rathlos gegenüber, bis sein Blick glücklicher Weise auf den Omnibus fällt.
    »Endlich hab ichs, wie ich mir helfen kann! Jetzt ist es halb; um Elf fährt der Wagen erst ab, und wenn ich mich hineinsetze und eine halbe Stunde nicke, so ist der Affe fort, den sie mir aufgebunden haben!«
    Gesagt, gethan! Er hätte sich wohl auch einen andern Ort suchen können, aber erstens ist er in dem Omnibus unbeobachtet, und zweitens findet er dort recht hübsch Schutz vor dem Schneegestöber, welches statt nachzulassen, immer ärger wird. Er öffnet die Thür, steigt in das Innere des alten Kastens, schließt den Eingang vorsichtig wieder zu und macht es sich dann so bequem, wie es sich unter den gegebenen Verhältnissen nur immer thun läßt.
    Die Gäste im »Sellerie« äußern allerdings einige Befremdung darüber, daß heut von dem Nachtwächter Nichts zu hören und zu sehen sei, entschuldigen ihn aber sowohl mit dem Wetter als auch mit dem heutigen Festtage, der es ihm ja zur Pflicht macht, sich überall länger als gewöhnlich aufzuhalten. Währenddem füttert Hans seine beiden Gäule, schirrt sie dann ein und läßt sich endlich von dem Hausknechte das Thor öffnen.
    »Das ist ein wahres Kosakenwetter,« murrt er mißvergnügt. »Muß ich armer Teufel Nachts elf Uhr zwei Stunden weit durch Schnee und Wind und Finsterniß kutschiren, obgleich kein Mensch Lust hat, in die alte gichtbrüchige Budicke zu kriechen!«
    Er streicht den Schnee vom Bocke, legt eine trockene Decke unter, nimmt darauf Platz und greift dann in die Zügel.
    »Ahü! Werft die Beine ein Bischen munter auseinander, wenn wir nicht stecken bleiben sollen! Adieu, Wilhelm; um Zwei bin ich wieder da! ›Beim wilden Manne‹ halte ich heute gar nicht an; die Birkensteiner mögen auf ihren Stiefelsohlen nach Hause fahren! hü!«
    Die Peitsche knallt, und das Fuhrwerk setzt sich in Bewegung. Der gute Hans hat keine Ahnung davon, daß er ganz gegen seine geäußerte Meinung doch einen Passagier mitnimmt, er zieht den Kragen so weit wie möglich in die Höhe und läßt die Pferde laufen, was die Beine hergeben. Grundmann aber liegt ausgestreckt auf dem bequemen Längssitze und verspürt nicht das Mindeste von dem Fortschritte, welchen das segensreiche Institut mit seiner ahnungslosen Persönlichkeit in Scene setzt. Der ungewohnte Alkoholgenuß hat ihn betäubt, und da man dem Wagen an Stelle der Räder ein Schlittengestelle untergelegt hat, so gleitet er vollständig ruhig und geräuschlos durch den tiefen Schnee dahin. Der »wilde Mann« wird erreicht, noch ehe eine halbe Stunde vergangen ist. Es ist Tanz hier. Ganz sicher würden die dort anwesenden Birkensteiner gern einsteigen, und jedenfalls verlassen sie sich darauf, daß Hans anhalten und nach Passagieren fragen werde; dieser aber hat nun einmal heut keine Lust dazu und fährt an dem Wirthshause vorüber. Jetzt geht die Straße bergab, was das Fortkommen beschleunigt, und noch hat es nicht Zwölf geschlagen, so hält der Omnibus vor dem Gasthofe zum »blauen Löwen« in Birkenstein, unter dessen Thür alsbald der Hausknecht erscheint, um Kutscher und Pferde in seine Obhut zu nehmen.
    Die Pferde werden ausgespannt, und bald steht das Institut wieder einsam und verlassen vor der Thür. Bei der immer gleichmäßigen Bewegung hat Grundmann ohne Störung fortgeschlafen, jetzt aber, wo diese Bewegung aufgehört hat, kehrt ihm nach und nach die Besinnung zurück. Er beginnt, sich zu regen, da jedoch die Bank nicht an allzu großer Breite leidet, so gleitet er von derselben herab und fällt auf den harten Boden. Ganz erschrocken fährt er empor.
    »Sapperlot! Von welchem Kirchthurm bin ich denn da hinuntergestürzt? Und wer bin ich denn eigentlich? Wie – wenn – warum – wer – ich weiß ja gar nicht, was mit mir los ist! Ich bin – nun ja, der Nachtwächter Grundmann bin ich, so viel ist sicher, aber wo liege ich nur?«
    Er richtet sich auf und stößt dabei mit dem Kopfe an die Decke.
    »Nannu, was ist denn das?« ruft er, mit beiden Handen um sich greifend. »Oben zu, hüben zu, drüben zu, hinten zu – wer hat mich denn in diese Kiste eingesperrt? – und vorn – aha, da giebt es mehr Spielraum – ein Schritt – zwei Schritte – drei – hier ist gar eine Thür; da muß ich sehen, wo man hinkommt, wenn man hineingeht!«
    Er faßt den Drücker und öffnet. Halb noch berauscht, halb schlaftrunken und dabei von seiner

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